Psychotherapie vs. Coaching: Was sind die Unterschiede?

Die Welt der Möglichkeiten ist im letzten Jahrzehnt nochmal größer geworden und Veränderungen dadurch oft erwünscht. Doch was passiert eigentlich, wenn wir dabei ins Stocken geraten. Im besten Fall holen wir uns Support.

Life Coaching und Psychotherapie sind mittlerweile weitestgehend (zumindest in unserer privilegierten Bubble) gängige Möglichkeiten, um sich professionelle Unterstützung bei der Klärung dieser Fragen zu holen. Doch was unterscheidet beide eigentlich und gibt es Unterschiede? Die Antwort ist ein klares Ja. 

Annalena Thomas von blossoomm erklärt die Unterschiede zwischen Psychotherapie und Coaching.

Viele Leute beschäftigen sich mehr und mehr mit ihrer Selbstentwicklung, fragen sich, was sind eigentlich meine Stärken, was hat mich geprägt und was blockiert mich, was ist mein Weg und wohin führt er eigentlich, aber auch was hält mich manchmal zurück ihn zu gehen.

Ich bin eine Freundin der Differenzierung, Aufklärung und Destigmatisierung und alle drei gehören zu meinen Herzensanliegen. Daher möchte ich heute ein wenig Licht ins Dunkel dieses Dschungels aus Support-Angeboten bringen. Ich selbst bin approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Gründerin von Blossoomm und arbeite in eigener Praxis im schönen Hamburg.

Unterschiede Life Coaching & Psychotherapie

Unterschiede Psychotherapie vs. Coaching

Wenn man sich Unterstützung durch Expert*innen wünscht gibt es unzählige Möglichkeiten. Life Coaching hat im letzten Jahrzehnt an Bedeutung gewonnen und auch die Psychotherapie wird als Möglichkeit der Unterstützung häufiger in Anspruch genommen.

Der Begriff „Coaching“ wird verwendet, wenn wir über Beratung sprechen und stammt aus dem 19. Jahrhundert. Coaching entwickelte sich ab den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts vor allem zunächst in Form der zielgerichteten und motivationsorientierten Angestelltenführung in den USA.

Seitdem erlebte das Coaching eine deutliche Veränderung und Entwicklung. Die Psychotherapie stammt ebenfalls aus dem Ende des 19. Jahrhunderts und bedeutet wörtlich übersetzt „Behandlung der Seele, des Atems, Heilung der Seele“. 

Der wichtigste und deutlichste Unterschied zwischen beiden Verfahren besteht darin, dass bei der Aufnahme und Beantragung einer Psychotherapie (auf Krankenkasse) eine Symptomatik mit „Krankheitswert“ vorliegen muss, bei einem Coaching nicht. Natürlich steht die Psychotherapie auch ohne Diagnose jeder und jedem offen (auf eigene Kosten). Coaching Session werden immer selbst getragen und nie von der Krankenkasse übernommen.

Psychotherapie

Eine psychotherapeutische Behandlung ist in erster Linie eine Möglichkeit sich bei Leidensdruck im Alltag und Einschränkungen durch eine bestehende Symptomatik, bspw. Ängste, Depressionen, Zwängen, Essstörungen professionelle Unterstützung zu holen.

Anders beim Coaching: Bei Aufnahme eines Coachings muss keine Symptomatik vorliegen - was nicht heißt, dass die Klient*in beispielsweise keine Ängste vor einer bevorstehenden Veränderung hat und sich dadurch blockiert fühlt und daher Unterstützung wünscht.
— Annalena Thomas

Eine psychotherapeutische Behandlung ist in erster Linie eine Möglichkeit sich bei Leidensdruck im Alltag und Einschränkungen durch eine bestehende Symptomatik, bspw. Ängste, Depressionen, Zwängen, Essstörungen professionelle Unterstützung zu holen. Dabei ist es egal, ob der Leidensdruck in Beziehungen, im beruflichen Kontext oder bei der Alltagsbewältigung als solches, besteht. Die Symptomatik bildet sich aufgrund einer Überlastung der Seele (meist durch beeinträchtigende Lebensgeschehnisse), die durch eigene Lösungsversuche nicht mehr ausreichend ausgeglichen werden kann.

Coaching

Anders beim Coaching: Bei Aufnahme eines Coachings muss keine Symptomatik vorliegen - was nicht heißt, dass die Klient*in beispielsweise keine Ängste vor einer bevorstehenden Veränderung hat und sich dadurch blockiert fühlt und daher Unterstützung wünscht. Die Ängste sind jedoch nicht so stark ausgeprägt, dass die Bewältigung des Alltags durch sie bereits eingeschränkt ist und oftmals ging eben auch kein direktes einschneidendes Erlebnis, das zu einer konkreten Symptomatik führt, voraus.

Der Vorstellungsanlass und auch das Setting beider Verfahren unterscheidet sich dadurch deutlich.

Das Setting bei einem Coaching wird anders als in einer klassischen Psychotherapie, bei der man sich meist zu Beginn der Behandlung einmal wöchentlich sieht und insgesamt für einen längeren Zeitraum, meist für einen kürzeren Zeitraum mit größeren wöchentlichen Abständen (bspw. 14-tägig, 4-wöchentlich) und je nach Anliegen vereinbart.

Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass eine psychotherapeutische Behandlung, wenn sie von einer approbierten Psychotherapeut*in, durchgeführt wird, durch die Krankenkasse finanziert werden kann. Bei einer Psychotherapie muss die Therapeut*in dafür eine Diagnose stellen und die Abrechnung erfolgt über die Krankenkasse (diese Angaben gelten für Dt.. In Österreich werden die Kosten teilweise von den Krankenkassen übernommen).

Anders bei einem Coaching. Hier musst du die Sessions selbst zahlen und die Coach in/der Coach müssen keine Diagnose stellen (und hätten auch keine Befugnis dafür).

Ziele der beiden Richtungen

Noch ein Unterschied besteht darin, dass ein Coaching sich oftmals sehr spezifisch auf ein Ziel fokussiert, beispielsweise einer Klärung deiner aktuellen beruflichen Situation und damit möglicher Veränderungen und deinen Möglichkeiten oder auch Blockaden in diesem Zusammenhang. Die Sessions beleuchten dadurch meist schwerpunktmäßig das Hier-und-Jetzt und die Zukunft und beziehen die Vergangenheit und beispielsweise entwickelte Glaubenssätze, die dich blockieren, bei Bedarf mit ein. 

In einer Psychotherapie liegt das erste Ziel meist darin, die Symptomatik gemeinsam auf dem Hintergrund von biographischen Erfahrungen zu verstehen und sie dann langfristig aufzulösen. Die Techniken richten sich hierbei je nach therapeutischer Ausrichtung meist in einer Klärung des Geschehenem und Einordnung der gegenwärtigen Zusammenhänge oder konkreter (meist übenden) Techniken zur Reduktion der Symptomatik und einer Steigerung der eigenen Selbstwirksamkeit, also dem Gefühl „ich kann etwas bewirken“.

Dadurch liegt der Schwerpunkt nicht zwingend auf der Gegenwart und das bereits Erlebte in der (kürzer- oder länger-zurückliegenden) Vergangenheit spielt eine größere Rolle als in einem Coaching. Man könnte sagen, dass die Gewichtung der Vergangenheit und des bereits Erlebtem sich insgesamt unterscheidet.

Qualitätsmerkmale

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Berufsbezeichnung Coach als solcher noch nicht geschützt ist, die Berufsbezeichnung Psychologische*r Psychotherapeut*in / Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in jedoch schon.

Für Ersteres gibt es mittlerweile jedoch viele Qualitätszirkel und Leitlinien und wunderbare auch oft begleitet evaluierte Ausbildungen, so dass es auch hier Qualitätsmerkmale gibt über die man sich erkundigen kann. Um Psychotherapeut*in zu werden, ist es erforderlich nach oder während eines Psychologie-, Pädagogik- oder Medizin-Studiums eine Psychotherapeutische Ausbildung zu absolvieren (in Österreich benötigt man kein Vorstudium). Diese ist staatlich geprüft und führt wie bei Ärzt*innen zur Approbation. Erst nach bestandener Approbation ist es möglich sich in das Arztregister eintragen zu lassen und sich auf einen Kassensitz zu bewerben, so dass eine Abrechnung und Behandlung über die Krankenkassen möglich wird (Stand in Dt.). 

Egal welche Unterschiede bestehen, beide Verfahren haben vor allem einen wichtigen Punkt gemeinsam:

Sie wollen dazu beitragen, dass es dir gut geht und dein Wohlsein und deine Lebensqualität steigern!

Und dabei wünsche ich dir von Herzen alles Gute. Ich hoffe ich konnte ein wenig Licht bringen und nicht für noch mehr Verwirrung sorgen ;-)

Annalena

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