Selbstversorger-Garten: Gemüse selbst ernten
Wie jetzt, es ist Winter und ihr redet vom Gärtnern? Echt jetzt? Ja, weil jetzt der Zeitpunkt ist, an dem man sich um eine Parzelle kümmern sollte, wenn man im Frühling loslegen will.
Der Entschluss, sich gesund – und somit zu einem großen Teil aus frischem Gemüse – zu ernähren ist schnell gefasst. Aber auf die Frage, wo man dieses frische, biologische, am liebsten auch noch regionale und nicht in Plastik verpackte Gemüse in einer Großstadt am unkompliziertesten herbekommt, gibt es viele Antworten. Eine ist ein Stadtacker: Ein Stück Feld am Stadtrand, auf dem Gemüse wächst, das bestenfalls über eine automatisierte Anlage regelmäßig gegossen wird und persönlich geerntet werden kann.
Zugegeben, ganz unkompliziert ist das nicht, aber dafür auch ein bisschen aufregend. Das hat zumindest unsere Autorin gedacht, als sie sich vor ziemlich genau einem Jahr dafür entschieden hat. Ein Erfahrungsbericht.
Kurz hab ich an des Kaisers neue Kleider gedacht. Wochenlange Vorfreude. Und dann das: Ein zwei Meter breiter, zehn Meter langer Streifen … Dreck. Mein Acker. Seit Wochen verfolge ich auf Instagram, wie hier alles angebaut wird: Mais, Mangold, Karotten, Erbsen, Bohnen, Ronen, Radieschen. Und dann, Ende April, endlich die Nachricht, dass er fertig bebaut ist und ich meinen Streifen ab sofort selbst verantworten darf.
Nur weil vor Wochen Samen in die Erde gesteckt wurden, heißt das natürlich noch lange nicht, dass ich gleich fertiges Gemüse aus selbiger rausziehen kann. Das einzige, das sofort zu wachsen beginnt, sind die unterschiedlichsten Gartenzäunchen und Markierungen, die die jeweiligen stolzen Ackerbesitzer_innen um ihr Feld hochziehen. Und das stimmt mich nicht besonders fröhlich, in Zeiten von Grenzzäunen und inexistenter Reisefreiheit. Es ist mal wieder die Tugend gefragt, mit der ich nicht rasend großzügig ausgestattet bin: Die Geduld.
Gärtnern heißt in dieser ersten Phase nämlich hauptsächlich: Erkennen lernen, was hier wachsen soll und was nicht, die Pflanzen ausreißen, die denen, die ich später essen will, den Platz, das Wasser und die Sonne wegnehmen. Für ein paar Wochen ist das die einzige Aufgabe. Und: Jungpflanzen anbauen, die man selbst oder jemand, der darin Übung hat, schon im Vorhinein an der Fensterbank gezogen hat. Rückblickend muss ich hier sagen, man sollte diesen kleinen Pflänzchen wirklich viel zutrauen, egal wie klein und schwach – sie werden RIESIG, wenn sie mal im Feld sind. Ausnahmslos.
Die Größe von Tomaten auf der Fensterbank darf nicht als Referenz für die endgültige Größe von Tomatenpflanzen am Feld herangezogen werden. Sondern ein Vielfaches davon. Eine einzige Kürbispflanze kann die gesamte Länge des Feldes entlang wachsen, Gartenzaun hin oder her, auch einen Bogen auf Nachbars Acker schlagen. Das ist dann auch, abgesehen vom vielen guten Essen, die schönste Weisheit, die einem unterschwellig beigebracht wird: Mit ein bisschen Liebe, Geduld und Freiraum kann ein mickriger Winzling von Setzling zu einer blühenden, enorm große Früchte tragenden Schönheit werden. Man muss sie nur lassen.
Die frühen, kargen Wochen gehen schnell vorbei, mit den ersten Radieschen verschwindet die Leere im Erntesack, dann geht es schlag auf Schlag: Erbsen, Bohnen, Ronen. Lässt man den Tomaten genug Platz und baut man ihnen stabile Stützen, lassen auch die sich über mehrere Wochen nach und nach ernten. So wie Karotten und Zwiebel: Die kann man nach Bedarf aus der Erde ziehen, der Rest wächst einfach noch ein bisschen weiter.
Sobald auch die Zucchinis und Kürbisse ausgereift sind, wird der Erntesack wirklich schwer und spätestens dann empfiehlt sich, sich auch mit Einkochen, Fermentieren und ähnlichen Haltbarmachungen zu beschäftigen. Weil selbstgezogenes Gemüse verderben zu sehen fühlt sich noch eine Spur schlimmer an, als gekaufte Lebensmittel wegzuwerfen. Soviel zu den emotionalen Höhen und Tiefen der Landwirtschaft. In weiterer Folge noch ein paar praktische Antworten.
Wie ergiebig ist so ein Acker?
Ein 40m² Acker empfiehlt sich für 2 Personen.
Spart man dabei Geld?
Das kommt sehr darauf an, wie talentiert man gärtnert und ob man die investierte Zeit mit rechnet. Ich in meinem ersten Jahr: eher nein. Man hätte weit mehr aus meinem Acker rausholen können. Ich habe einiges nicht rechtzeitig geerntet und es selten öfter als einmal in der Woche aufs Feld geschafft. Aber ich habe in den Monaten weniger Geld für Lebensmitteleinkäufe ausgegeben und fast täglich auch etwas vom Feld gegessen. Als Verlustgeschäft betrachte ich es also keinesfalls.
Wie viel Zeit braucht man für diesen Spaß?
Einmal in der Woche sollte man mindestens vor Ort sein. Es gilt zu verhindern, dass die ungewollten Pflanzen sich durchsetzen. Lässt man die mal zwei Wochen ungestört wachsen, kann man sich kaum mehr gegen sie wehren. Der wöchentliche Ausflug nimmt also durchaus ein paar Stunden in Anspruch, kann aber zeitgleich als Fitness-Einheit betrachtet und zum Podcast hören genutzt werden.
Kosten?
Die Stadt Wien vergibt die kleinsten Parzellen um 100€, die meisten Bauern um circa 200 € für eine Saison.
Wo findet man einen Stadtacker in Wien?
Eine Auflistung unterschiedlicher Anbieter nach Bezirken sortiert findet sich hier und hier.
Ich würde empfehlen auf zwei Dinge zu achten: Der Weg von zu Hause zum Feld sollte möglichst kurz und praktisch sein (man unterschätze nicht das Gewicht eines ausgewachsenen Kürbisses!). Und: Nicht alle Anbieter haben eine automatische Gießanlage, ohne die hätte ich das niemals auf die Reihe bekommen. Statt wöchentlich müsste man sich dann täglich kümmern.
Almud Krejza