Die Alltäglichkeit von Angststörungen mit Antonia Wille

Antonia Wille ist Journalistin und Co-Gründerin des Amazed Magazin.

Letztes Jahr hat sie ihr erstes Buch namens Angstphase: Warum ich meine Angst annehmen musste, um wieder frei und selbstbestimmt zu leben veröffentlicht.

Antonia Wille über ihre Angststörung, Kontrollverlust, mentale Gesundheit und vieles mehr

Wir sprechen über:

  • was Agoraphobie ist & Kontrollverlust

  • Angststörung vs. Panikattacken

  • die Brandbreite von Angst

  • Symptome, Ausprägungen und individuelle Unterschiede

  • den richtigen Umgang mit einer Angsterkrankten

  • Achtsamkeit & mentales Gleichgewicht

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Antonias perfekter Morgen

Ich werde zwischen 8 und 9 von meiner Katze geweckt, die ist meistens schon früher wach. Ich lasse die Katze raus, gehe ins Bad, mache mir eine heiße Zitrone. Bei Schönwetter sitze ich im Garten und genieße die die ersten ruhigen Momente des Morgens. Sich von der Morgensonne aufwecken zu lassen ist total angenehm: das wärmt von innen und die frische Luft macht gleich fit. An besonders guten Tagen mache ich Yoga oder Sport bevor ich arbeite, meistens geht es aber direkt an den Schreibtisch.

Angst – ein alltäglicher Begleiter

Ich habe Agoraphobie, eine Art Platzangst. Diese Angststörung bezieht sich sehr konkret auf bestimmte Situationen. Klassisch übersetzt heißt es „Angst vor weiten Plätzen“: ich fürchte mich in der Öffentlichkeit, vor Menschenmassen. Oder vor Orten, an denen keine schnelle Flucht möglich ist. Ich habe Angst, wenn ich im Stau stecke oder die U-Bahn im Tunnel steht – also immer, wenn ein gewisser Kontrollverlust droht. Wenn die Angst kommt, muss ich schnell in mein vertrautes Umfeld zurück, sonst kommen Unruhe und Angst.

Heute kann ich mit meiner Angst gut umgehen. Trotzdem gibt es manchmal Situationen, in denen ich unruhig werde und Angst hochsteigt. Andere Menschen vergessen nervöse Gedanken gleich wieder, aber bei mir wird ein Gedankenkarussel in Gang gesetzt. Es ist wellenförmig: man rast von Entspannung in Anspannung und wieder zurück.

Antonia Wille: “Wenn mich Leute fragen: bist du ein ängstlicher Mensch? Sage ich: nein, ich bin von Haus aus ein mutiger Mensch. Ich habe eine große Schwäche für True Crime und radle nachts allein durch die Gegend. Aber in Situationen, in denen ich die Kontrolle zu verlieren glaube, werde ich unruhig und ängstlich.”

Wenn mich Leute fragen: bist du ein ängstlicher Mensch? Sage ich: nein, ich bin von Haus aus ein mutiger Mensch. Ich habe eine große Schwäche für True Crime und radle nachts allein durch die Gegend. Aber in Situationen, in denen ich die Kontrolle zu verlieren glaube, werde ich unruhig und ängstlich. Das ist die große Krux an Angststörungen: man hat die Vorstellung, dass Betroffene das Haus nicht verlassen und sich nicht einmal trauen, die Post vom Briefkasten zu holen. Aber Angststörungen haben eine riesige Bandbreite und sind sehr individuell. Die Störung äußert sich zwar oft ähnlich: in Unruhe, Übelkeit, Schwindel etc. Aber es gibt viele Ausprägungen: von permanenter Unruhe bis zur gezielten Angst vor konkreten Situationen. Angst vor Ohnmacht, Spinnen oder Krankheiten zum Beispiel. Die Masse an Menschen, die an Ängsten und Panik leidet, hat das gar nicht als Angststörung diagnostiziert. Es sind normale Menschen, die ihr Leben im Griff haben, eine Familie haben und in Urlaub fahren. Trotzdem haben sie in gewissen Situationen oder Phasen mit Ängsten zu tun. 

Die meisten dieser Ängste sind irrational. Ich weiß, dass noch niemand in einer Ubahn stecken geblieben ist und nie wieder herauskam. Rational, auf der Vernunftebene, weiß ich das. Aber auf der emotionalen Ebene fühlt es sich schrecklich an: mein Körper reagiert sehr heftig auf diese „falschen“ Gefühle, da kommt die Vernunft nicht mehr durch. Man lernt schon, damit umzugehen und der Vernunft Raum einzuräumen. Aber: wenn es sich lebensgefährlich anfühlt, hat das Rationale keinen Platz mehr. Ich vergleiche das gerne mit toxischer Liebe. Wenn man in jemanden verliebt ist, der nicht gut für einen ist, weiß man das meistens auch. Alle sagen es, man weiß es, aber man fühlt eben anders. Es dauert, bis man nicht mehr so fühlt. Genauso ist es bei einer Angst: man muss lernen, mit ihr umzugehen. Man muss ihr Raum, aber keine Macht geben.

Angst: Symptome und Ausprägungen

Die Grundsymptome sind oft dieselben – konkrete Ausprägungen sind aber von Mensch zu Mensch verschieden. Hitzewallungen, Übelkeit, Unruhe/Nervosität, Schwitzen, Herzrasen, Atemschwierigkeiten.

Es ist schwierig zu beschreiben – wer es noch nie gefühlt hat, kann es schwer nachvollziehen. Die Symptome kommen von 0 auf 100, es ist wie extremes Lampenfieber, man will einfach nur weg. Aber sobald man die Bühne betritt, ist das Gefühl im Normalfall weg – bei einer Angststörung funktioniert das nicht. Ich kann nicht damit umgehen, wenn ich in einer Situation feststecke. Es wurde immer schlimmer, bis zum Erbrechen.

Es ist ein Teufelskreis: man entwickelt eine Angst vor der Angst. Das kann den Alltag stark einschränken. Dann versucht man zu vermeiden. Es gibt aber nur einen Lösungsweg: Konfrontation. Das kostet wahnsinnig viel Kraft und ist sehr anstrengend. Man fühlt sich jeden Tag wie nach einem Marathonlauf, weil durch die Angst und Konfrontation der Adrenalinspiegel jedes Mal stark steigt. Stresshormone, körperliche Anspannung, oft hat man sogar Muskelkater. Die Angst vor der Angst wird oft so massiv, dass man vermeidet - aber Konfrontation ist oft der einzige Weg, die Angst abzuschwächen.  

Panikattacken

Oft werden Ängste von Panikattacken begleitet. Ich hatte das „Glück“, erst nur Angstzustände zu haben. Panikattacken kommen aus dem Nichts. Wegen den ständigen Angstzuständen kannte ich die körperlichen Symptome schon – als ich meine erste Panikattacke hatte, konnte ich sie schon einordnen. Aber Menschen ohne Erfahrung mit diesen Emotionen bekommen sicher wahnsinnige Angst, weil sie diese extrem körperlichen Symptome nicht deuten können.

Eine Panikattacke schüttet so viel Adrenalin aus, dass sie nur einen gewissen Zeitraum andauern kann. Nach 30, 40 Minuten ist meistens der Peakpunkt erreicht – dann hört es wieder auf. Angstzustände erreichen diesen Peakpunkt nie – man kann tagelang unruhig sein oder diese Übelkeit haben.

WIE SICH ANTONIAS ANGST ENTWICKELT HAT

Als Teenager habe ich gemerkt: mir wird schlecht. Immer wieder, in bestimmten Situationen. Das fing an, als wir auf Klassenfahrten waren: ich konnte nie zur Ruhe kommen, während meine Klassenkameraden schon geschlafen haben. Ich konnte in diesen Phasen oft nichts essen: wenn ich mit Freunden essen war, habe ich vorher schon vorsichtshalber nichts gegessen, damit ich nicht erbrechen muss. Ich habe gewusst: das ist keine Übelkeit, wie sie bei einer Darmerkrankung oder zu vielen Süßigkeiten normal ist. Heute weiß ich: es war Adrenalin.

Ein zentraler Auslöser war eine Panikattacke meiner Mutter, die ich auf einem Ausflug nach München miterlebt habe. Ich war 11 und musste alles managen: meiner Mutter Wasser holen, Leute benachrichtigen, die helfen können. Als es meiner Mutter besser ging, habe ich die Ängste übernommen. Als wir Jahre später wieder nach München fahren wollten, hat mein Unterbewusstsein sofort Alarm geschlagen: wir bewegen uns in unsicheres Terrain, ich habe Angst bekommen. So hat sich das weitergezogen, die Angst hat sich über mich gestülpt. Meine Mutter konnte die Symptome gut einordnen, wir mussten nicht erst 10 Ärzte aufsuchen, um Magen-Darm Gründe auszuschließen. Sie hat selbst Erfahrung mit Angstzuständen und hat schnell gemerkt, dass es sich um Panikattacken handelt. Erst haben wir es ohne Hilfe versucht: Konfrontation, einfach durchbeißen. Aber als wir gemerkt haben, dass es nicht besser wurde, habe ich mit einer Therapie begonnen.

Selbst- und Fremdhilfe: Sport, Meditation und Therapie

Sport

Sport ist ein extrem effektiver Schnellhelfer. Das hat mehrere Gründe:

  1. Sport hilft, Stress zu bewältigen. Man powert sich aus, schaltet ab. Der Kopf ist frei.

  2. Sport erhöht die Adrenalintoleranzschwelle: Je öfter man Sport macht, desto höher wird die persönliche Adrenalintoleranzschwelle. Das heißt, Unruhe kommt dann nicht mehr so schnell. Innere Unruhe entsteht durch Adrenalinausschüttung, damit man flüchten kann. Wenn ich glaube, dass ich in einer Gefahrensituation bin, schüttet mein Körper Adrenalin aus – das kann man durch Bewegung wieder abbauen. Wenn ich in der U-Bahn Burpies oder Jumping Jacks machen könnte, würde die Unruhe schneller wieder weggehen. Sitzenbleiben und erstarren macht es sehr viel schlimmer.

Aber auch beim Sport ist Achtsamkeit wichtig: wenn ich über meine Bedürfnisse hinausgehe und zur Yogastunde hetze, obwohl ich einfach nur müde bin, wird auch die zum Stressfaktor. Ich hatte meine erste Panikattacke beim Joggen: ich war überzeugt, dass ich jetzt noch laufen gehen muss, obwohl ich einfach eine Stunde in den Himmel schauen hätte müssen, um mein Stresslevel herunterzubekommen. Wenn permanent Bedürfnisse übergangen werden, helfen auch Sport und Meditation nichts mehr.

Therapie: ein individueller Weg

Antonia Wille ist dreifacher Zwilling

Jede Angststörung ist individuell – es gibt kein Rezept, um sie loszuwerden. Der erste Schritt sind meistens Konfrontation und Verhaltenstherapie. Das ist auf jeden Fall hilfreich, wichtig und richtig – aber für mich war es nicht das Nonplusultra. Wer sich konfrontiert, merkt: es kann nichts passieren. Aber bei mir ist es in ein anderes Extrem umgeschlagen: ich habe mich nur noch im Konfrontationsmodus bewegt. Ich bin Ubahn gefahren, habe kein Treffen abgesagt – egal, ob ich wirklich Magen-Darm-Grippe hatte, ob ich ausgepowert war. Ich war so streng mit mir, dass ich am Rande des Burnouts stand.

Dann habe mit Psychoanalyse begonnen, das hat mich aus dem Stressstrudel herausgeholt. Ich habe gelernt, nur zu konfrontieren, wenn ich die Energie dazu habe. Trotzdem hat jede Therapie etwas Bereicherndes gehabt. Gerade am Anfang einer Angsterkrankung ist die Verhaltenstherapie die beste Idee. Wenn man sich nach einem Unfall nicht mehr ins Auto traut, ist Konfrontation richtig, weil man nach 10mal fahren merkt: es passiert nichts. Aber wenn die Angst schon lange da ist und sich manifestiert hat, ist es wichtig, tiefer zu sehen: warum ist die Angst da? Wie muss ich mit ihr umgehen, damit sie nicht zu einem Burnout führt? Ich arbeite auch jetzt, nach Jahren noch mit einem Therapeuten – einfach, weil ich Therapie ganz großartig finde. Man lernt so viel über sich, Menschen, Strukturen, Umgang.

Katja – Hassfigur, Freundin und Warnsystem

Ich weiß heute, dass die Angst mir nicht nur Böses will – sie ist mehr ein Warnzeichen und taucht immer auf, wenn ich nicht genug auf mich Acht gebe, zu gestresst bin.
— Antonia Wille

Meine erste Therapeutin hat mir geraten: “Sprechen Sie doch mit Ihrer Angst, geben Sie ihr einen Namen.” Zuerst fand ich das ein bisschen seltsam, aber ich wollte auch alles versuchen. Ich habe ihr einen Namen gegeben: Katja. Sie ist eine hagere, knochige Figur, ein sehr unangenehmer Charakter. Jemand, den ich eher hasse als mag. Ich habe ihr in Gedanken gesagt: Geh weg, lass mich in Ruhe, ich brauche dich nicht. Wenn die Angst kommt, fühlt man sich hilflos und fällt in eine Starre. Aber wenn ich in den Dialog mit Katja trete, tue ich aktiv etwas dagegen. Katja hilft mir, die Angst von mir selbst abzuspalten. Das hilft mir, zu sehen, dass mich die Angst nicht komplett ausmacht, sondern dass ich auch aus Vernunft, Selbstbewusstsein und Stärke bestehe.

Über die Jahre hat sich mein Umgang mit Katja verändert. Am Anfang war sie eine absolute Hassfigur. Dann habe ich bemerkt: ich kann sie nicht wegschicken, Katja begleitet mich, vielleicht ist sie ja gar nicht so schlimm. Vielleicht hat es einen Grund, dass sie da ist. Leute, die einen begleiten, sollte man sich genauer ansehen – mit der Zeit ist sie zu einer Art hysterischen Freundin und Beraterin geworden. Ich weiß heute, dass sie mir nicht nur Böses will – sie ist mehr ein Warnzeichen und taucht immer auf, wenn ich nicht genug auf mich Acht gebe, zu gestresst bin. Katja meldet sich erst leise: sie klopft mir auf die Schulter, ich werde unruhig und hibbelig. Früher hätte ich diese Anzeichen beiseitegeschoben und weitergemacht wie bisher. Aber dann hätte mir Katja nicht mehr nur auf die Schulter geklopft, sondern mich irgendwann mit beiden Händen gewürgt.

Heute hat sich mein Blickwinkel geändert: ich weiß, dass Katja zu mir gehört und sie mich auch schützt, wenn ich selbst zu wenig auf mich aufpasse. Natürlich schlägt sie manchmal Fehlalarm, zB.: wenn ich in einer Ubahn Angst bekomme. Aber damit lernt man umzugehen.

Lektionen durch die Angst

Antonia Wille: “Ich versuche sehr bewusst, im Moment, im Jetzt zu sein – je mehr ich im Jetzt bin, desto weniger können mir Angstgedanken etwas antun. Angst ist etwas, das in der Zukunft kreiert wird.”

  • Achtsamkeit: die Angst hat mich gelehrt, mehr auf mich aufzupassen. Mehr auf meine innere Bedürfnisse zu achten. Am Anfang, habe ich während der Verhaltenstherapie, mehr Konfrontation betrieben, als gut für mich war. Ich war so streng mit mir selbst, dass ich verlernt habe, was meine Bedürfnisse sind. Was mir in dem Moment guttut. Wenn man diese Stimme ignoriert, ist das auch für die Angst nicht sehr zuträglich. Ich musste den Kontakt zu mir, zu meinen Bedürfnissen wiederfinden. Ich habe begonnen, nur eine Sache auf einmal zu machen: nur kochen, nicht auch noch eine Serie schauen und durch Instagram scrollen. Bewusst spazieren gehen, ohne medial Beschallung. Ich versuche sehr bewusst, im Moment, im Jetzt zu sein – je mehr ich im Jetzt bin, desto weniger können mir Angstgedanken etwas antun. Angst ist etwas, das in der Zukunft kreiert wird. Wenn die Angst kommt, sage ich: Stopp, heute ist heute. Es ist sinnlos, heute über Übermorgen nachzudenken. Stattdessen versuche ich von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde zu leben.

  • Menschen nehmen, wie sie sind. Früher war ich sehr überzeugt davon, dass ich weiß, wie es a beten geht. Menschen sind unterschiedlich, sie haben verschiedene Wege und Arten, mit Dingen umzugehen. Nicht jeder steht da, wo ich schon stehe: manche müssen gewisse Erfahrungen erst machen, jeder hat sein eigenes Tempo.

  • Empathie statt Ratschlägen. Wenn jemand sagt: „Mir geht es nicht gut“, frage ich: „Kann ich etwas tun, um dir zu helfen?“ Früher hätte ich mit dem Vorschlaghammer ausgeteilt und der Personen meinen Weg aufgedrängt. Aber mein Weg muss nicht deiner sein! Ich bin gnädiger, empathischer, sensibler geworden. Ich spreche aus meiner Perspektive, lasse meinem Gegenüber aber trotzdem Raum und sage: mach es, wie du meinst. Mir hilft das eine, dir vielleicht etwas ganz anderes – Menschen sind unterschiedlich. Nichts verurteilen, nicht sagen, wie Dinge zu laufen haben. Jeder ist für sein Leben verantwortlich und jeder hat sein Tempo für seine Entscheidungen

Auswirkung auf soziale Beziehungen

Es gab viele Notlügen. Bei Familie und Partner habe ich kein Geheimnis daraus gemacht, aber Freunden habe ich lange nichts gesagt. Wenn kleine Angstanflüge kamen, habe ich Notlügen ausgepackt: ich habe Migräne, schlecht geschlafen, Bauchweh. Da gibt es nie Rückfragen. Aber wenn man sagt: „Ich habe Angst“, ist das für viele nicht konkret genug. Ich wollte nie „die mit der Angst“ oder „die mit der mentalen Erkrankung“ sein.

Aber irgendwann kam der Punkt, an dem die ständigen Schwindeleien & die Heimlichtuerei zu viel wurden – ich wollte ja trotz Angst authentisch sein, sie ist ein Teil von mir. Und die Reaktionen waren durchwegs positiv. Leute sind sehr dankbar für die Offenheit und sehr froh, endlich die Wahrheit zu wissen. Alle hatten viel Verständnis und Toleranz für mich. Wenn ich Vorträge halte, sage ich am Anfang gerne: “Leute, ich bin ein bisschen nervös, wundert euch nicht, wenn ich aus dem Raum renne, falls mir schlecht wird.” Aber: ich musste noch nie aus dem Raum rennen. Die Leute waren immer total dankbar für meine Ehrlichkeit. Genau das ist mein Ziel gewesen: dass ich trotz Angst einfach ich sein kann. Viele haben sich daraufhin auch mir anvertraut – mentale Probleme sind viel häufiger, als man denkt! Die Leute müssen sich trauen können, Dinge offen anzusprechen, damit niemand mehr im Stillen, einsam leiden muss. Viele haben Angst davor, beruflich oder privat auf ihre Angststörung reduziert zu werden. Aber diese Ängste waren bei mir recht unbegründet. Natürlich gibt es hier und da ein paar schwarze Schafe, aber die Masse reagiert sehr positiv, dankbar und verständnisvoll.

Der richtige Umgang von Betroffenen

  • Akzeptieren und respektieren. Ängste sind nicht rational: aber auch wenn sie für Außenstehende unverständlich sind, müssen sie anerkannt werden.

  • Ernstnehmen. Es bringt nichts, mir meine Ängste abzusprechen – für mich sind sie da, Punkt. Anstatt zu sagen: „Du brauchst doch keine Angst haben“, ist die richtige Reaktion: „Was kann ich tun?“ Ich sage immer: you’re not walking in my shoes – es ist ok, wenn du mich nicht verstehst, aber sprich mir meine Gefühle nicht ab.

  • Unterschiedliche Kapazitäten erkennen. Wenn ich mit jemandem U-bahn fahre und sage: ich habe Angst, kann derjenige davon ausgehen, dass ich die Angst schon eine ganze Weile unterdrückt habe, mich sehr zusammengerissen habe. Ich habe ein anderes Anspannungslevel als andere Menschen.

Vorbildfunktion

Angststörungen sind eine unsichtbare Erkrankung – trotzdem muss sie respektiert, akzeptiert und anerkannt werden. Physische Gesundheit ist genauso wichtig wie mentale Gesundheit. Ein lustiger Vergleich: Wlan sehen wir auch nicht, aber keiner hinterfragt, dass es existiert. Klar gibt es eine Bandbreite, es ist nicht immer klar, wo Melancholie aufhört und Depression anfängt. Aber jedes Jahr stirbt eine hohe Zahl an Menschen an Depressionen, das kann man nicht kleinreden. Es ist wichtig, dass man darüber redet: damit Leute mit Ängsten und Depressionen genauso zum Arzt gehen, wie Leute, die sich ein Bein brechen. Wir müssen anerkennen, dass es total stark ist, sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht. Stärke und Schwäche schließen sich nicht aus. Ich kann meinen Job rocken und trotzdem Phasen haben, in denen ich nur zuhause am Sofa sitze und heule. Das mindert meinen Wert als Mensch nicht – alle haben gute und schlechte Phasen. Bei manchen Menschen manifestiert sich das zu einer seelischen Erkrankung – aber zum Glück gibt es Hilfe, die man auch annehmen sollte. Man sollte nicht scheuen, weil man Angst hat, verurteilt zu werden. Es ist mir wichtig, dass ich eine normale Person bin, trotz meiner Angststörung.

Die Medien vermitteln oft Extrembeispiele: Leute, die von Klinik zu Klinik gehen und das Haus nicht mehr verlassen können. Die gibt es natürlich auch, und es ist wahnsinnig schlimm. Aber das ist nicht die Masse. Die Masse lebt wie ich, ganz normal, mit schlechten Phasen, und durchsteht die irgendwie. Wenn man nicht darüber redet, wird es schwerer und schlimmer – aber in Wirklichkeit gibt es so viele Menschen, die ähnliches erleben. Man ist auf keinen Fall allein damit.

Q&A mit Antonia Wille:

  • Tools & Rituale, die dir verhelfen zurück in deine Mitte zu finden? Tief ein- und ausatmen. Eine Runde an der frischen Luft drehen. 

  • Liebste Art, dich fit zu halten: Ich versuche, jeden Tag 10.000 Schritte zu gehen und mache 3-4-mal die Woche ein Hiit-Workout. 

  • Das Erste, dass du heute Morgen gemacht hast: meine Katze gestreichelt. 

  • Wie entschleunigst du nach einem stressigen Arbeitstag? Mit einer Runde Yoga, einem großen Spaziergang oder einfach einer Badewanne und einem guten Buch. 

  • Wie schaut ein typischer Arbeitstag bei dir aus? Ich bin freiberufliche Journalistin und Autorin, sodass kaum ein Tag dem anderen gleicht. An ganz normalen Arbeitstagen stehe ich auf, genieße die Morgensonne und setze mich danach an meinen Schreibtisch. Je nach Wetter in meiner Wohnung - oder ich verlagere das Homeoffice in den Garten oder in ein Café. Dort arbeite ich dann bis 18 Uhr, manchmal kürzer, manchmal länger, je nachdem welche Deadline ansteht und gehe danach erstmal zum Sport. 

  • Idealer Sonntag: keine Termine, sich treiben lassen und mit FreundInnnen und Familie Zeit verbringen. Am liebsten in der Natur. 

  • Um Stress abzubauen…: hilft mir Sport, bewusst, Auszeiten zu schaffen und immer die Natur. 

  • Maßnahmen, die du ergreifst, wenn du merkst du wirst krank: Eine heiße Zitrone mit Ingwer trinken. Ruhe und Entspannung. 

  • Das Geheimnis für einen guten Schlaf ist: Bewegung am Tag, Ruhe am Abend, ein aufgeräumter, gut durchlüfteter Raum und frisch gewaschene Bettwäsche. 

  • Self Care bedeutet für mich: auf meine Bedürfnisse zu hören und danach zu handeln. 

  • Meditation: Headspace, gerne abends vor dem Schlafengehen. 

  • Momentan lese ich: Yuval Noah Harari „Eine kleine Geschichte der Menschheit"

  • Lieblingsbuch: Hanya Yanagihara „Ein wenig Leben“ - weil es zeigt, dass Freundschaft und Liebe uns am Leben halten 

  • Superfood deiner Wahl: Quinoa 

  • Nahrungsergänzungsmittel: Magnesium, Zink, B12, Vitamin D 

  • Auf meinem Nachtkasten liegen: Bücher über Bücher! 

  • Lieblingsbrands: Fair Fashion: The Odderside 

  • Lieblingsort weltweit: mein Zuhause, wo meine Familie und meine Liebsten sind. 

  • Lieblingslokale: Om Nom Nom in München (veganes Café)

  • Wer oder was inspiriert dich momentan? Menschen, die mutig sind und sich so zeigen, wie sie sind. Echt, authentisch, offen und ehrlich. 

  • Lieblings-Insta Accounts: Die wunderbare Jana von @vonkopfbisfuss, modetechnisch @eliinaolofson und @aalingk

  • Haare: Das wechselt regelmäßig, ich liebe aber die Produkte von Maria Nila und Sobedo Soap

  • Meine Hautpflege besteht aus: wenigen Produkten. Wasser, Tagescreme mit LSF 50, UV-Schutz-Spray. Abends: Cleanser, Mizellenwasser und Serum mit Vitamin C oder Retinol sowie Augencreme. Zwischendrin mache ich immer mal wieder ein Fruchtsäurepeeling oder eine Maske. 

  • Die wichtigste Lektion, die ich zum Thema Hautpflege gelernt habe ist: Weniger ist mehr! Und nie ohne UV-Schutz das Haus verlassen :)!

  • 2020 in einem Satz: Anders als erwartet, aber trotzdem gut. 

  • Etwas, was du gerne noch in dein Leben integrieren würdest, momentan aber noch nicht tust: jeden Morgen eine Runde Yoga zum Aufwachen. 

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