Ergonomisches Home Office: Die Wahrheit über das gerade Sitzen

In diesem Artikel erklärt dir Osteopathin Celine Bittner, wie du durch osteopathische Prinzipen deine Lebensqualität im Home Office verbessern kannst.

Und so viel sei schon verraten: Es hat nichts damit zu tun WIE du sitzt!

Home Office Setup: Wie du es ergonomisch einrichtest

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Inhaltsverzeichnis

    Die Haltungs-Lüge

    In diesem Artikel erklärt dir Osteopathin Celine Bittner, wie du durch osteopathische Prinzipen deine Lebensqualität im Home Office verbessern kannst.

    Kennst du das? Schon als Kinder bläuen uns unsere Eltern ein am Esstisch gerade zu sitzen, auch in der Schule sollen wir auf unseren Stühlen weder zappeln, noch rumlungern.

    Die Aussage „aufrechtes Sitzen sei eine adäquate Lösung zur Vermeidung von körperlichen Problemen“ ist nicht wissenschaftlich belegbar.

    Viele Jahre später, wir sind erwachsen und niemand sagt uns mehr, dass wir gerade sitzen sollen, trotzdem ist da diese kleine Stimme im Kopf „Sitz aufrecht!“ oder „Schultern nach hinten ziehen!“.

    Die meisten von uns verbringen den Tag stundenlang mit sitzender Tätigkeit. Wenn wir dann geplagt werden von chronischen Rückenschmerzen, Nackenverspannungen oder bohrenden Kopfschmerzen, schieben wir es auf eine Sache zurück - wir sitzen nicht aufrecht genug. Vielleicht ist auch der Stuhl schuld oder der Schreibtisch, der die falsche Höhe hat.

    Und ja, auch ergonomische Möbel haben ihre Berechtigung. Aber ehrlich gesagt sind ergonomische Möbel nur ein Pflaster für deine Beschwerden. 

    Wie viele von euch haben sich einen ergonomischen Bürostuhl für mehre Hundert Euro gekauft, nur um festzustellen, dass die Probleme nicht wirklich besser werden? 

    Yes, me too. 

    Ich glaube, dass die menschliche Maschine die Apotheke Gottes ist und sich alle Medikamente der Natur im Körper befinden.
    — A.T. Still  (Begründer der Osteopathie)

    Wenn ich dir jetzt sage, dass die Lösung für eure Probleme NICHT das ergonomische Sitzen oder der 500 Euro Stuhl sind, zerrütte ich vielleicht einen Glaubenssatz der sich seit deiner Kindheit in dein Gehirn eingebrannt hat.

    Vielleicht bist du auch erleichtert, 500 Euro gespart. Aber gleichzeitig bedeutet es auch, dass es keinen „quick fix“ gibt. 

    Die Aussage „aufrechtes Sitzen sei eine adäquate Lösung zur Vermeidung von körperlichen Problemen“ ist nicht wissenschaftlich belegbar.

    Problematisch ist, dass dieser gesellschaftliche Konsens weit verbreitet und auch tief im schulmedizinischen System verankert ist.

    Tatsächlich entstand das Konzept der aufrechten Körperhaltung bei sitzenden Tätigkeiten erst im 19. Jahrhundert, als sich die Arbeitsplätze immer mehr zur Schreibtischarbeit hin entwickelten.

    Davor war eine gelassene, entspannte, gemütliche Haltung unter Menschen die intellektuellen Tätigkeiten nachgingen verbreitet.

    Ich bin Osteopathin und in meine Praxis besuchen mich jeden einzelnen Tag Menschen mit Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Fingerschmerzen, Bauchschmerzen, alle Schmerzen die du dir ausmalen kannst.

    Jeden Tag bekomme ich auch zu hören: „Ich schaffe es einfach nicht gerade zu sitzen, ich denke kurz daran und nach 10 Minuten habe ich es wieder vergessen“.

    Dass wir uns körperlich unwohl fühlen, wenn wir den ganzen Tag sitzen, liegt an 2 Faktoren:

    1. Nicht wie wir sitzen, sondern DAS wir sitzen

    2. Unsere innere Haltung, die sich auf unseren Körper überträgt

    Bevor ich weiter auf die 2 Faktoren eingehe und was du selbst tun kannst, führe ich dich in die Prinzipien der Osteopathie ein:

    1. Der Körper ist eine untrennbare Einheit. Körper, Seele und Geist können nicht isoliert voneinander betrachtet werden.

    2. Struktur und Funktion beeinflussen sich wechselseitig. Wenn eine Struktur in Dysbalance ist, so ist es auch deren Funktion.

    3. Die Durchblutung des Körpers ist das Fundament des körperlichen Gleichgewichts. Wenn Zellen unzulänglich mit Sauerstoff versorgt werden entstehen Funktionseinschränkungen.

    4. Der Mensch ist in der Lage sich selbst zu heilen. Gesundheit ist sein natürlicher Seins Zustand.

    Zeit in Bewegung vs. Zeit sitzend

    In der Osteopathie ist Bewegung gleich Gesundheit.

    “Unser Körper muss sich bewegen. Er ist erschaffen für Bewegung. Die 10 Minuten Yoga am Tag oder 3x die Woche 45 min Gym gleichen die 10 Stunden sitzen am Tag nicht aus. Sorry,” schreibt Osteopathin Celine Bittner.

    Wenn eine Zellen, ein Gewebe oder ein Organ in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist, entsteht eine Dysfunktion (= Funktionsstörung). Was sich mikrokosmisch auf Zellebene abspielt, kann man auch makrokosmisch auf den Körper an sich anwenden.

    Unser Körper muss sich bewegen. Er ist erschaffen für Bewegung. Die 10 Minuten Yoga am Tag oder 3x die Woche 45 min Gym gleichen die 10 Stunden sitzen am Tag nicht aus. Sorry.

    Du hast bestimmt schon gehört, dass der menschliche Körper zum Großteil aus Wasser besteht.

    Und das stimmt, unsere Körper werden durchströmt von Flüssigkeiten. Intra- und extrazelluläre Matrix, Blut, Lymphe, Gehirnflüssigkeit, Galle, und und und.

    Unser arterielles Blut hat einen internen Antreiber, unser Herz - aber die meisten anderen Flüssigkeiten sind abhängig von den Bewegung, die wir aktiv mit unserem Körper machen.

    Zum Beispiel wird venöses Blut durch Muskelkontraktionen beim Laufen zurück zu unserem Herz gebracht, ähnliches passiert mit der Lymphflüssigkeit. Sobald die Flüssigkeiten in Stagnation geraten entstehen Funktionsstörungen.

    Ein kleiner Exkurs in Schmerzentstehung

    Es gibt unzählige Ursachen für Schmerzentstehung. Bei Problemen in Zusammenhang mit sitzender Tätigkeit wie Muskelverspannungen, Kopf- und Rückenschmerzen, Hexenschuss oder Sehnenentzündungen läuft oft folgender Mechanismus ab:

    Alles im Körper wird durch Nerven reguliert. Unser ganzer Körper ist durchströmt von feinsten Nervenrezeptoren, sie registrieren jede Abweichung.

    Wie ist die Spannung der Muskulatur, wie ist die Durchblutung, wie ist die chemische Zusammensetzung des Bindegewebes?

    Nicht den Kranken zu heilen ist die Pflicht des Maschinisten, sondern einen Teil des ganzen Systems so wieder zu korrigieren, dass die Lebensflüsse fließen und die ausgetrockneten Felder bewässern können.
    — A.T. Still

    Befinden wir uns über Stunden hinweg in Stillstand, also in der gleichen oder ähnlichen Körperhaltung, werden kleinste Kapillare in verschiedenen Regionen unzulänglich durchblutet.

    Gleichzeitig staut sich „verbrauchtes“, CO2 haltiges Blut und Lymphe angereichert mit toxischen Abbauprodukten im Gewebe.

    Wir erinnern uns: damit die Flüssigkeiten im Körper optimal fließen, brauchen wir Bewegung.

    Dieser Körperflüssigkeiten-Cocktail sorgt für eine Veränderung der chemischen Zusammensetzung des Bindegewebes (auch Faszien genannt). Im Bindegewebe sind unsere Nerven eingebettet.

    Der Nerv nimmt jetzt also das Signal auf von „Achtung - zu wenig Durchblutung, zu viele Giftstoffe“. Als Antwort darauf sendet er Schmerzsignale aus. Die Muskelspannung erhöht sich lokal, was wiederum zu mehr Schmerzen führt. 

    All das macht unser Körper mit der Intention, dass wir unseren Po hochbekommen und uns bewegen.

    Unser cleveres Gehirn macht dann daraus -„ah Schmerz, ich muss grade sitzen“.

    Laut A.T. Still, dem Begründer der Osteopathie, ist schlechte Durchblutung einer der wichtigsten Faktoren bei der Entstehung von Funktionsstörungen und Krankheit.

    Innere Anspannung und wie das unser Sitzen beeinflusst

    Nicht nur das viele Sitzen, beeinträchtigt unser Wohlbefinden, sondern auch mit welcher inneren Haltung wir sitzen.

    Osteopathie ist eine holistische Medizin. Das bedeutet Körper, Seele und Geist werden nicht isoliert voneinander betrachtet, sondern als sich wechselseitig beeinflussende Einheit gesehen.

    • Beobachte dich mal selbst, wie ist dein Innenleben während du arbeitest?

    • Bist du angespannt oder entspannt? Atmest du tief in den Bauch oder eher flach in die Brust? 

    • Gibt es Druck in deinem Arbeitsalltag?

    • Deadlines, zu viel Arbeit zu wenig Mitarbeiter? Schlechte Stimmung?

    • Oder vielleicht gehörst du auch zu den „PSK Menschen“ - der Kategorie Mensch die für psychosomatische Schmerzen prädispositioniert sind: perfektionistisch, selbstkritisch, kontrollbedürfig?

    Stress, egal ob er von extern oder von intern kommt, beeinflusst unser ganzes System.

    Das sympathische Nervensystem wird aktiviert (ursprünglich wurde das für lebensbedrohliche Situationen wie ein Säbelzahntiger erfunden).

    Unser Körper wird dann durchschwemmt mit Stresshormonen wie Cortisol + Adrenalin:

    • Unsere Atmung wird flach: der Körper wird mit weniger Sauerstoff versorgt

    • Die Muskulatur verhärtet sich: wir ziehen unsere Schultern hoch, beißen die Zähne zusammen, spannen den Beckenboden an

    • Kapillaren werden eng gestellt: der Blutfluss kommt nicht überall hin, gleichzeitig staut sich verbrauchtes Blut im Gewebe

    • Entzündungen im Gewebe werden gefördert: es kommt zu Schmerzen und chronischen Beschwerden

    • Das Immunsystem wird geschwächt: wir werden schneller krank

    • Unsere Psyche interpretiert harmlose Sachen als bedrohlich: es entsteht ein Teufelskreis von innere Anspannung, der sich selbst aufrecht erhält

    8 Tipps, die nichts mit aufrechter Haltung zu tun haben

    Wir finden alle Teile des Sonnensystems und des Universums im Menschen vertreten.
    — A.T. Still

    Erinnerst du dich an das Bild vom Anfang?

    Das Schulkind, das auf seinem Stuhl rumzappelt oder rumlungert? Dass ständig aufstehen will, ans Fenster geht oder durch den Raum hüpft?

    Das ist ab jetzt dein neuer Gedächtnis Anker, wenn du merkst, dass sich Spannungen aufbauen.

    1. Anstelle möglichst aufrecht zu sitzen, versuche dich so viel wie möglich auf dem Stuhl zu bewegen. Verlagere dein Gewicht immer wieder. Mach es dir mit Kissen gemütlich auf deinem Stuhl. Du darfst einen runden Rücken haben! Du darfst schief sitzen!

    2. Suche dir einen Stuhl aus, der dir möglichst viel Bewegungsspielraum gibt. Stühle die wippen, sich drehen oder Sitzbälle sind super.

    3. Wechsle mehrmals am Tag zwischen verschieden Stühlen.

    4. Beobachte deinen Körper. Welche Position ist für dich am angenehmsten? Was für Andere gut ist, kann für dich völlig anders sein. Lerne deinen Körper zu lesen.

    5. Sitze in Intervallen, steh oft auf.

    6. Gewöhne dir an, mehrmals am Tag einen Body Check zu machen. Überprüfe deine innere Anspannung, deine Atmung, deine Gedanken. Allein der Blick auf unsere Anspannung, lässt diese schon kleiner werden.

    7. Baue Breathwork und Meditation in deinen Arbeitsalltag ein.

    8. Entferne alles was zu deiner inneren Anspannung beiträgt: grelles Licht, störende Geräusche, zu viel Kaffee.

    9. Nimm deine Schmerzen ernst und ignoriere sie nicht. Dein Körper versucht mit dir zu kommunizieren, er hat keine Worte als Sprache, nur Empfindungen.


    Mein Name ist Celine Bittner und ich bin Osteopathin und Heilpraktikerin.

    Neben der Tätigkeit in meiner Praxis, ist mein Schwerpunkt online die Konzepte von Selbstheilung zu entmystifizieren.

    Momentan arbeite ich an einem Online Kurs zum Thema Self-Healing über den primär respiratorischen Mechanismus - das sind subtile Rhythmen unserer Zellen, über die man direkten Zugang zu der Intelligenz seines Körpers hat. Ich bringe Menschen bei diese Rhythmen zu spüren und sich dadurch selbst zu behandeln. 

    Quelle: Uddin, Z. (2022). Sitting up straight: the crooked truth on sitting posture with back pain. Eastern Journal of Healthcare, 2(1), 34–35. https://doi.org/10.31557/ejhc.2022.2.1.34-35

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