Matcha Mornings 🍵

View Original

Sophie Sollmann: Präsenz im eigenen Körper, Tanz & authentischer Selbstausdruck

Sophie Sollmann ist Tänzerin und die Gründerin von THE SPACE & FAITH, einem Guidance Programm für Tänzerinnen. Aber Sophie ist eigentlich auch so viel mehr als das - in ihrer Insta Bio steht: "spiritual soul empowering women to believe in themselves" - und genau um das geht es in der heutigen Konversation.

Ich würde die Konversation fast abwerten, wenn ich sagen würde es geht um Selbstliebe, an sich selbst glauben, in seinem Körper präsent sein und sich selbst spüren. Das würde unserem Gespräch nicht gerecht werden. Aber lest und hört selbst…

Sophie Sollmann ist Tänzerin und Mitbegründerin von THE SPACE. Sie hat ihr eigenes Tanzprogramm namens FAITH entwickelt.

See this content in the original post

Links:


Der perfekte Morgen

In der Früh presse ich mir einen Obst- oder Gemüsesaft. Was in den Saft kommt, ist an meine aktuellen Bedürfnisse angepasst: Was braucht mein Körper gerade? Was möchte ich ihm geben? Es ist der Gedanke der inneren Schönheit und inneren Gesundheit. Während ich in der Küche bin, nutze ich die Zeit für einen Podcast.

Wir duschen jeden Tag, damit unser Körper gereinigt wird – aber mit unserer Seele machen wir das viel zu selten. Die Zeit für mich, das ist mein Seelencleaning in der Früh.

Wenn ich warmes Zitronenwasser, Tee und Kaffee vorbereitet habe, starte ich mit Büroarbeit in den Tag.

Selfcare: Meditation & Reinigung

Für meinen Rücken benutze ich eine Shaktimat Akkupressurmatte. Mein Körper braucht das. Vor Corona bin ich regelmäßig massieren gegangen, die Matte ist jetzt meine Alternative.

Ich liege da mindestens 20 Minuten. Meistens schlafe ich auf der Matte ein – daran merkt man, was für eine Wirkung Akkupunktur hat, Schmerz-Relief und Meditation zugleich. Ich bin noch neu, was Meditation angeht – normalerweise bin ich ein Mensch, der sehr viele Reize braucht, es fällt mir schwer. Aber mit der Matte funktioniert es auch für mich.

Zweitens, Gesichtsmassagen: ein sehr wertvolles Tool, um zur Ruhe zu kommen. Durch ein Buch oder Netflix werden wir nur abgelenkt – wir hören nicht in uns hinein, beschäftigen uns nicht mit unserem Körper, unseren Gefühlen. Für die Gesichtsmassagen nehme ich neben den Händen manchmal Öl oder einen Stein zur Hilfe. Für viele andere gelten Make-up oder gemachte Haare als Selfcare. Aber diese Dinge verändern mich – ich möchte mich ja nicht verändern, ich will, dass mein Körper gesund und natürlich schön bleibt.

Drittens: Baden. Mein Freund und ich nehmen uns zwei Abende die Woche, in denen wir etwas alleine machen – das ist wichtig, wir arbeiten und leben zusammen, schließlich wollen wir nicht diese beiden zusammengeschweißten Personen sein. Diese Abende beginnen für mich in der Badewanne – die bereite ich, genau wie den Saft, nach meinen Bedürfnissen vor. Was braucht mein Körper gerade? Braucht er Entspannung oder etwas, das mir Energie gibt? In der Wanne meditiere ich dann. Ich komme zur Ruhe – einfach nur ich, meine Gedanken, mein Körper. Wenn ich aus der Wanne komme, bin ich ein anderer Mensch – es ist eine Reinigung für Körper und Seele.

Mein Weg mit dem Tanzen

Meine Tanzreise hat begonnen, als ich 5 oder 6 war. Ich habe mit Ballett begonnen. Ich war immer schon ein Kind, das sich gerne bewegt hat – ich habe mit dem Tanzen begonnen, um die ganze Energie loszuwerden. Nach einem Jahr Ballett hieß es: es gibt eine Prüfung, es war die Royal Academy of Dance Prüfung. Da kommt ein Juror aus dem Ausland und bewertet die Gruppe in verschiedenen Kategorien, Technik bis Ausdruck. Ich habe zu meiner Mama gesagt: das ist mir zu viel Druck. Das kann ich nicht. Ich wollte schließlich aus Spaß tanzen. Wegen dieser Prüfung habe ich dann tatsächlich mit Ballett aufgehört.

Mit 12 habe ich beschlossen, dass ich diese Leidenschaft wieder verfolgen sollte – aber so richtig, nicht nur halb. Ich habe mich wieder in das alte Ballettstudio gewagt. Es ging nicht um hobbymäßige, ein-zwei Stunden die Woche – es hieß all or nothing. Ich bin direkt von der Schule ins Studio und war um Mitternacht zuhause, so hat jahrelang mein Alltag ausgesehen. Aber ich habe es so gewollt, niemand hat mich gezwungen.

Ich habe Ballett, Jazz, Musical gemacht. Es gab jedes Monat Wettbewerbe, auf die wir hintrainiert haben – besonders in Ballett. Das war gegen meine Prinzipien – ich mag die Steifheit im Ballett nicht. Es ist mir viel zu unpersönlich, es gibt null Platz für Individualität. Wenn du einen kleinen Fehler machst, fällst du auf – aber ist nicht gerade das das Schöne am Tanzen, das Spezielle, das Anderssein? So bin ich mehr ins Kommerzielle, ins Hip-Hop gekommen.

Mit 13 wurde ich in eine Agentur aufgenommen. Wir haben als Gruppe Jobs gemacht, ich habe Geld verdient. Wir sind in Österreich herumgereist und haben für namhafte Künstler getanzt, so ging das intensiv 2 Jahre weiter. Dann sagte meine Mama: „Du bist 14 und arbeitest jetzt schon als Tänzerin. Du hast keine Zeit dafür, was es sonst im Leben so gibt – konzentriere dich doch erst mal auf andere Dinge! Lass deinem Leben den Verlauf und schau, was sonst noch in dir steckt. Das Tanzen wird schon irgendwann wiederkommen.“ Ich habe ihren Rat befolgt – und bin ihr so dankbar. Ich habe von einem Tag auf den anderen komplett mit dem Tanzen aufgehört. Das Tanzen kann auch mit viel Negativität kommen: die Gruppendynamiken, der ständige Wettbewerb. Ich wusste: das ist nicht, was ich brauche, ich bin irgendwie anders.

10 Jahre lang habe ich gar nicht getanzt. Ich habe studiert, viel im Ausland gelebt, extrem viel erlebt und bin sehr dankbar dafür. Mit 24 habe ich in einer Firma gearbeitet – aber jedes Mal, wenn ich Tanzvideos gesehen habe, sind mir die Tränen gekommen. Bei jedem Step-Up-Film war ich als Allererste im Kino – und habe gespürt, dass ich all das auf der Leinwand auch wieder haben will. Es war ein riesiger Schmerz, dass all das nicht mehr Teil meines Lebens war. Ich wollte dem ganzen noch eine Chance geben. Nachdem das Nebenbei nicht wirklich funktioniert hat, hieß es wieder „all or nothing“ – ich habe meinen Job gekündigt, gespart wo es nur geht und eine Tanzausbildung begonnen. Ich war in Kopenhagen und in Los Angeles, das war die intensivste Zeit meines Lebens. Von Montag bis Sonntag, von 5 in der Früh bis zum Abend war mein Leben das Tanzen: Stile, Choreographie, Movement, Freestyle, Technik. Das habe ich gebraucht. Ich musste mich selbst, meine Stärken, meine Ziele wiederfinden.

Wegen Corona musste ich frühzeitig abbrechen und nach Österreich zurück. Die Ausbildung fertig, meinen Job habe ich nicht mehr – was ist der nächste Schritt? Erst habe ich mich bei Agenturen beworben, bei allen möglichen Projekten mitgemacht. Dann haben mein Freund und ich „the space“ gegründet. Wir haben Workshops und Tanzinitiativen in Wien veranstaltet, mit Choreographen aus der ganzen Welt. Außerdem unterrichten wir geschlossene Gruppen von bis zu 40 Tänzern. Seit Dezember mache ich auch Einzelcoachings mit jungen Tänzerinnen, mein Guidanceprogramm „faith“ – es geht neben dem Tanzen auch viel um Selbstliebe. Mittlerweile ist mein Leben eine Summe aus allem: Projekte, Videos, the Space, unterrichten.

Präsenz im eigenen Körper: das A und O beim Tanzen

Präsenz im eigenen Körper ist das größte Thema beim Tanzen. Man sieht auf ersten Blick: ist die Person präsent? Kennt sie ihren Körper, fühlt sie, was sie da tut? Oder ist es nur eine Marionette, die Schritte ausführt? Gerade junge Menschen haben da Schwierigkeiten.

Wenn sich meine Schüler selbst nicht spüren, mache ich gewisse Übungen mit ihnen. Eine davon: sie setzen sich vor den Spiegel und schauen sich während einem Lied 4 Minuten lang tief in die Augen. Die zweite Übung, funktioniert gleich, nur dass sie sich dabei selbst berühren – so richtig, den ganzen Körper, von oben bis unten. Was diese Übungen auslösen, kann man kaum in Worte fassen: Tränen, Verzweiflung, Faszination. Alle Schüler sagen, dass das extrem neu war, dass sie das noch nie gemacht haben.

Vor einem Jahr war das bei mir noch nicht anders. Es war komisch, mich selbst anzuschauen – ohne vielleicht im Bad zu stehen. Einfach nur ich, meine Augen – das war mir fremd. Es ist ein grundlegendes Problem, dass wir uns selbst nicht anschauen, nicht angreifen können. Wir wissen nicht einmal, wer wir wirklich sind.

Wir verbringen so viel Zeit mit anderen Menschen – wir stecken unsere ganze Liebe, unser ganzes Leben in Andere, nicht in uns selbst! Wir kennen unseren Partner, unsere Familie, unsere besten Freunde in- und auswendig – wir wissen, wie es ihnen geht, und wenn es ihnen schlecht geht, sind wir da. Aber für uns selbst tun wir nicht dasselbe. Wir umarmen uns nie selbst, wir schenken uns die Liebe nicht. Wir wissen nicht einmal, wie wir wirklich ausschauen.

Eine Schülerin meinte nach der Übung mit dem Spiegel: „Ich habe auf einmal ganz anders ausgeschaut.“ Sie hat sich selbst plötzlich anders gesehen – Merkmale erkannt, die sie vorher nie bemerkt hat, und das nach 20 Jahren. Wir sind erwachsen, aber kennen uns selbst nicht. Das hängt damit zusammen, dass wir nicht präsent in unserem Körper sind, wenn wir uns bewegen.

Wenn ich mich nicht traue, zu experimentieren, mich anzugreifen, wenn ich mich selbst nicht vertraue und mich nicht mit liebevollen Augen anschaue, dann werde ich mich selbst nie kennenlernen! Ich muss wissen, wer ich bin, wer ich sein will, wie ich mich wahrnehme, wenn ich in den Spiegel schaue. Der Spiegel ist in Wirklichkeit immer da. Wenn ich einen Raum betrete und nicht gerne anschaue, was ich sehe, dann bin ich nicht bei mir.

Das Jugendalter ist davon begleitet, dass wir uns von uns selbst entfernen. Wir nehmen uns falsch wahr. Wir wollen jemand anders sein, um akzeptiert zu werden. Wir verstellen uns. Mit dem Verstellen beginnt das Entfernen von unserem Körper. Viele müssen, sobald sie erwachsen werden, diese Arbeit wiederaufnehmen – und sich wieder zu sich selbst zurückbringen.

Man kann noch so viel trainieren, so gut werden, alle Stile der Welt beherrschen – aber wenn du dich und deinen Körper nicht spürst und nicht akzeptierst, wirst du irgendwann in ein Loch fallen. Irgendwann kommt es auf DICH an – und darauf, wer du BIST. Es ist so wichtig.

Authentischer Selbstausdruck: ein langer Weg

Als ich wegen meinem Firmenjob nach Wien gekommen bin, habe ich nebenher zu Tanzen begonnen. Ich war die Fremde, ich habe nicht hineingepasst, mich nirgends wiedergefunden.

Also habe ich mich angepasst, bin unauthentisch geworden. Mein Selbstbewusstsein war so niedrig wie noch nie. Ich dachte: Die wissen, wer sie sind – ich nicht. Das hat mich aus der Bahn geworfen.

Während dem ersten Lockdown war ich viel allein – das hat mir unglaublich gut getan. Mein Freund war im Ausland, es gab kein Studio, keine Tanzgruppe – nur mich. Zum ersten Mal habe ich mir die Frage gestellt: Wer bin ich, was sind meine Stärken? Was macht mich als Mensch und Tänzerin aus?

Ich dachte immer, ich sei nicht gut genug, weil ich immer alles trainiert habe aber mich nie spezialisieren konnte. Ich bin kein Master of one, nicht perfekt in einem Stil. Aber ich habe erkannt: genau das ist meine Stärke! Wenn mich früher jemand gefragt hat, was ich tanze, habe ich ausweichend geantwortet – ich habe dies und das probiert, Ballett, Jazz, Hiphop, aber ich kann nichts perfekt. Das hat sich gewandelt. Jetzt sage ich ganz selbstbewusst: ich kann tatsächlich alles! Egal, was die Anforderung ist: ich setzte es um und mache den Job. Bei dieser Antwort habe ich ein Grinsen im Gesicht, bin stolz. Ich muss nicht mehr sein wie die anderen – alle anderen gibt’s sowieso! Gerade in der Tanzwelt musst du herausstechen, nicht austauschbar sein.

Individualität statt Anpassung

Wir alle streben nach dem Motto „Be unique“. Aber wer setzt es auch wirklich um? Wir haben Angst davor, dann nicht mehr akzeptiert zu werden. Wir streben nach Anerkennung von bestimmten Menschen, von Gruppen, bei denen wir dazugehören wollen. Aber wenn wir verstehen, wer wir sind und sein wollen, brauchen wir das nicht mehr.

Meine Hochsensibilität war nicht immer einfach für mich – dieses Emotionale, dieses Verletzbare. Irgendwann habe ich es in meine größte Stärke verwandelt. Ich entschuldige mich nicht mehr für meine Emotionen – sie sind das größte Geschenk in meinem Leben!

Als ich mich akzeptiert und zu lieben gelernt habe, sind die richtigen Menschen plötzlich von selbst in mein Leben gekommen. Ich habe nicht nach ihnen gesucht, ich wollte sie nicht gezielt erreichen – sie sind zu mir gekommen, weil sie sich mir verbunden gefühlt haben, und ich mich ihnen. So kommen von selbst die Menschen in dein Leben, die zu dir passen.

Ich habe lange den Leitsatz in mir getragen: ich bin ein Mensch mit wenig Selbstbewusstsein. Ich habe es immer dazugesagt, damit ich nicht arrogant wirke. Leider ist eine selbstbewusste Frau in unserer Gesellschaft nicht gerne gesehen, sie ist eine Bedrohung.

Jetzt weiß ich, dass ich ein schöner, toller Mensch bin, das gibt mir so viel Kraft und Authentizität. Ich spüre mich selbst viel mehr. Ich habe mit Journalling begonnen, ich schreibe Liebesbriefe an mich selbst und mache mir bewusst, wofür ich dankbar bin. Anfangs habe ich für simple Fragen sehr lange gebraucht, zum Beispiel: Worauf bist du am stolzesten? Oder: Was sind deine 10 besten Eigenschaften? Aber mittlerweile sprudelt es einfach.

Das wirkt sich auch darauf aus, was man in seinem Leben alles schafft – eine unsichere Person kann sich viele Fehler erlauben. Wenn du selbstbewusst bist und scheiterst, fällst du tiefer – aber du kannst auch viel, viel höher fliegen.

Sicherheit – Ehrlichkeit – Authentizität

Viele junge TänzerInnen erzählen von denselben Problemen: sie möchten sich gerne richtig verwirklichen, aber sie wissen nicht wo und wie, sie fühlen sich nicht sicher. Man vergisst oft, dass Sicherheit beim Tanzen das A und O ist. Dort, wo ich tanze, meinen Körper sprechen lasse, alles frei fließen lasse und auch hinfalle, eine Choreo vergesse oder Fehler begehe, komme ich nicht weit, wenn ich mich beurteilt und unsicher fühle. Viele verlieren dann den Glauben an das Tanzen und die Verbindung zu sich selbst.

Deswegen haben mein Freund und ich THE SPACE gegründet. Wir trainieren eine geschlossene Gruppe – jeder weiß, wer und was sie erwartet. Die Bewerbung ist weniger mit Technik und Tanzlevel verbunden, sondern mit Gesprächen. Wir fragen: Was sind deine Beweggründe? Warum willst du dabei sein? Warum fühlst du dich unsicher? Die erste gemeinsame Stunde besteht nur aus Gesprächen in einem Kreis.

Jeder erzählt von den Erfahrungen, die zu Ängsten geführt haben. Oft weinen am Ende alle – es erzählt nämlich jeder dasselbe. Egal, wo Tanzerfahrung, Alter und Lebenserfahrung stehen – im Kern verbindet alle dieselbe Unsicherheit. Das wichtige: wir müssen Verständnis dafür generieren, dass es uns allen gleich geht. Wenn wir nie reden, Choreographien tanzen ohne die Menschen dahinter zu kennen, wird sich nichts ändern. Daher: Kommuniziere mehr! Seid offen und ehrlich, es ist nichts dabei! Sehr oft wirst du die Antwort bekommen: ja, das kenn ich.

Der Ausdruck, die Ehrlichkeit gibt dem Tanzen erst Authentizität. Die Gedanken kannst du zwar abschalten – aber nimm die Emotionen in die Performance mit! Ohne die sind wir leer, und dann ist auch das Tanzen leer! Nutz das Studio als Outlet für alle Emotionen, die in dir sind. Dafür braucht es einen Raum, in dem du dich wohlfühlst. Ein Raum, den du betrittst und du weißt: das bin ich, da passe ich hin. Dann kommt die Entwicklung ganz allen. Du musst dich in dem Raum entfalten können.

Freestyle: Entdeckung & freies Bewegen

Meine Beziehung zu Freestyle hat mit meinem Freund begonnen. Er war mein Tanzlehrer. Er kann stundenlang freestylen – ohne die Leidenschaft zu verlieren, ohne Langeweile, ohne die Frage: Ist das blöd, was ich da mache? Da habe begriffen: es gibt mehr als nur Schritt und Choreographie.

Am Anfang war es eine extreme Überwindung. Ich bin mit Schritten, mit einstudierten Abfolgen großgeworden. In der Gruppe konnte ich das nicht – aber im Lockdown habe ich mich wieder an Freestyle herangewagt, obwohl ich mich davor am allermeisten fürchte. Alleine, ganz für mich.

Die meisten Denken, für Freestyle muss man furchtbar kreativ sein – aber im Prinzip ist es nur freies Bewegen, was auch immer der Körper gerade machen möchte. Ich sage Schüler*innen: stell dir vor, du bist gerade geboren worden. Du siehst deinen Körper, und lernst ihn einfach mal kennen. Was ist denn möglich mit Kopf, Brust, Wirbelsäule, Armen, Beinen? Entdecke es! Bewege dich so, wie es noch nie jemand gemacht hat! Es geht schnell, bis man realisiert, was man eigentlich alles kann. Freestyle hat mir viel Vertrauen gegeben: ich bin zu allem fähig.

Die Kippe von Angst zu Faszination geht schnell – aber man muss Freestyle als Skill trainieren. Viele Lehrer*innen erwarten aus dem Stehgreif eine Top-Performance – und dann stehen die Schüler angewurzelt da. Aber man muss dafür Tools entwickeln. Es gibt keine Fehler, man kann nichts falsch machen, du kannst endlos Schritte auslassen. Es bist nur du, nichts ist einstudiert. Freestyle hat mir die Verbindung zu meinem Körper wieder gegeben.

Tanzen: ein vielschichtiges Geschenk

Tanz hat mir eine immense Leidenschaft geschenkt. Wie alle Leidenschaften ist Tanz manchmal in meinem Leben, dann verlässt es mich wieder – man muss dem freien Lauf lassen. Aber es wird mich immer begleiten, egal, wie alt ich bin. Ich bin von dieser Leidenschaft getrieben, weil sie für mich das größte Geschenk ist – ich weiß, was sie mir und meinem Körper gibt. Wegen dem Tanzen bin ich über viele mentale Hürden gekommen. Beim Tanzen zählt nicht nur das Ergebnis – es steckt mehr im Prozess, nämlich DU. Alles, was du von dir reinsteckst. Es geht um dein ganzes Sein, deinen Körper, deine Kreativität, deine Hingabe. Du musst dich trauen zu zeigen, wer du bist.

Ohne Tanzen hätte ich meinen Freund, meinen Lebens- und Businesspartner nicht kennengelernt. Wir hätten uns nicht, wir hätten unsere Firma nicht. Es ist viel wert, jemanden an der Seite zu haben, der einen wirklich versteht, der diese Leidenschaft teilt. Man braucht im Leben Menschen, die einen pushen, wir treiben uns gegenseitig an.

Lernen, verstehen, verkörpern: ein Prozess

Beispiel Selbstliebe: es hat vor einem Jahr begonnen, als ich in Los Angeles an meinem persönlichen Tiefpunkt war. Jeder Blick in den Spiegel war mit Enttäuschung verbunden. Jeder um mich war schöner, besser angezogen, selbstbewusst. Ich bin an dieser Masse bewundernswerter Menschen zerbrochen, habe meinen eigenen Wert nicht gesehen. Während Corona war die zentrale Frage: Was kann ich tun, um mich selbst zu lieben? Es hat nichts damit zu tun, dass deine Haare die richtige Länge haben, eine Haut endlich rein ist oder du eine gute Beziehung gefunden hast. Es hat nur mit dir selbst zu tun.

Ich habe mit kleinen, täglichen Ritualen gestartet: nachdem ich aufstehe, schaue ich in den Spiegel und sage mir, dass ich mich liebe, dass ich mich schön finde – auch, wenn ich es nicht glaube. Jetzt, ein Jahr später, spüre ich extrem den Effekt davon. Ich kann nicht sagen, was genau passiert ist – aber ich weiß, dass es passiert ist. Ich definiere Schönheit nicht mehr dadurch, was ich sehe, sondern dadurch, was ich fühle. Ich will nie wieder zurück. Sich kennen und akzeptieren ist das schwierigste und schönste im Leben.

See this gallery in the original post