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Iva Samina: Nährender Sex, Orgaskann, Tantra, Wunderorgan Gebärmutter & mehr

Iva Samina gibt Workshops im Bereich sexuelle Gesundheit, tantrische Körperarbeit sowie Geburt (Hypnobirthing).

Wir sprechen über:

  • Geburt & Sexualität

  • konditionierte Scham

  • körperliche Wahrnehmung sensibilisieren

  • 6 Grundpfeiler für nährenden Sex

  • Was ist Tantra?

  • das Wunderorgan Gebärmutter

  • über klitorale & vaginale Orgasmen

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Das ganze Podcast-Transkript könnt ihr hier nachlesen.


Ivas Berufung: Geburt & Sexualität

Ich habe zwei Dinge, für die ich brenne, zwei Leidenschaften, die ich zum Beruf gemacht habe: erstens Schwangerschaft & Geburt, zweitens Sexualität. Ich wollte immer Hebamme werden – das war irgendwie nicht möglich, aber ich bin Geburtshelferin geworden, auch Doula genannt.

Ich unterstütze Frauen in ihrer Selbstbestimmung – das liebe ich. Dann das Standbein Sexualität: ich beschäftige mich mit Körperlichkeit, Männlichkeit, Weiblichkeit. Es gibt nicht wirklich eine Bezeichnung: manche Menschen sagen Sex-Coach, Bodyworker, Sexologin. Aber wenn man eines sagt, werden viele andere Dinge ausgeklammert.

Ich gebe Workshops zu den Themen Tantra, Kink und BDSM oder Körperlichkeit, Weiblichkeit, Gebärmutter, Menstruation, Brüste. Ich gebe viele Einzelsessions, ich bin auch systemische Sozialtherapeutin und Heilpraktikerin.

Ich arbeite sehr ganzheitlich - wir schauen jedes Mal individuell: was will hier geschehen? Manchmal ist es Traumaaufarbeitung, manchmal sind es Schmerzen im Beckenboden, manchmal müssen Menschen ihre neue Lust entdecken. Ich bin die Hilfestellung für die Leute, um wieder in ihre Kraft zu finden.

Sexualität – die natürlichste Sache der Welt

Wer männliche Kinder hat kann beobachten, dass Kinder mit Penissen regelmäßig eine Erektion haben. Von Baby an. Ist einfach so.

Auf Ultraschallbildern kann man das auch schon sehen. Kleine Kinder sind supersinnliche Wesen. Sie sind sexuelle Wesen. Sie sind mit ihrem System offen. Kleine Kinder sind noch angebunden an diese Lebensenergie. Sexuelle Energie ist Teil der Lebensenergie - kleine Kinder sind noch an diese Energie angebunden. Sie sind so offen, dass sie in diese Sinnlichkeit ganz hineingehen, sich erlauben, das wirklich zu fühlen.

Es ist unser Geburtsrecht, lustvoll, ekstatisch, orgiastisch zu sein. Sobald wir heranwachsen, meistens im Alter von 2-3 Jahren, wird uns das allerdings abgewöhnt, abtrainiert. Dann kommen die Erwachsenen und die stülpen ihnen ihre Scham, ihre Angst über. Dann geht es los mit: „Pfui, schäm dich, das macht man nicht, was sollen die anderen denken. Geh dir die Hände waschen“ Früher war viel von Sünde die Rede.

Es ist unser Geburtsrecht, lustvoll, ekstatisch, orgiastisch zu sein.

Kinder wollen geliebt werden, sie wollen wissen, dass ihr Überleben gewährleistet ist. Die sind von uns abhängig. Wenn die das Gefühl haben, dass das ist in Gefahr ist, passen die sich innerhalb von einer Millisekunde an, es gibt einen Twist im System. Aber es passiert nicht nur einmal, dass jemand sagt: was spielst du denn an deinen Genitalien herum. Das machen die ganzen Familienangehörigen, die Betreuer in der KITA, in der Schule, überall. Es passiert wieder, wieder und wieder, und irgendwann nehmen wir es als unsere Wahrheit an dieses: „Das ist nicht ok.“ Dabei ist es ein Grundbedürfnis, wie essen, trinken, schlafen. Das gehört einfach dazu. Aber es wird von uns verlangt, dass wir uns davon trennen, abschneiden.

Konditionierte Scham

Ich glaube, dass die unterdrückte Sexualität eines der größten Übel dieser Welt ist. Wir sind nicht mehr in unserer Urkraft, in unserer Freude, in unserer Lust, in der Sinnlichkeit.

Wir dürfen nicht zu glücklich sein, wir dürfen nicht wirkliche sexuelle Wesen sein: Frauen zum Beispiel werden schnell als Schlampen abgestempelt. Die Folgen sind fatal. Wir fangen oft an, uns für unseren Körper, für unsere Lust zu schämen.

Viele trauen sich nicht, vor allem Frauen, ihre Genitalien zu berühren oder sie anzuschauen. Das hat eine Auswirkung auf die ganze Sexualität. Auch dieses ständige wegdrücken, es ständig deckeln – trotzdem ist es Energie, die da ist. Es ist ein physikalisches Gesetz: Energie will fließen. Und Energie will sich einen Weg suchen, sodass sie fließen kann. Wenn sie nicht mehr frei fließen kann, sucht sie sich über Umwege den Weg. Die können manchmal sehr perfide Formen annehmen. Ich glaube, dass Pornosucht, Perversion, sexueller Missbrauch Resultate davon sind. Dass viele Krankheiten daraus entstehen.

Ein Weg ist die Langsamkeit.

Wir gehen in den Mangel, wir sind nicht mehr in der Ganzheit, der Fülle. Wir fangen an, uns von uns selbst abzuschneiden – dann beginnen wir, etwas im Außen zu suchen, das uns befriedigen kann, damit wir die Leere in uns nicht mehr fühlen müssen. Daraus entstehen Süchte, Streit – ich behaupte sogar, dass Kriege daher kommen.

Ich gehe noch weiter: ich behaupte, wenn wir die Art und Weise heilen wie wir unseren Körper bewohnen, wenn wir unsere Sexualität auf gesunde, reine, unschuldige Art und Weise leben, dann sind wir in der Fülle. Dann sind wir bei uns Zuhause. Dann gibt es keinen Grund mehr, irgendwem etwas wegnehmen zu wollen. Das gibt es dann nicht mehr. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Unsere Sexualität heilen, das ist die beste Revolution, die wir haben können. Das ist friedvoll, liebevoll, das kann uns kein Mensch verbieten.

Empfindsamkeit & körperliche Wahrnehmung sensibilisieren

Im Endeffekt gibt es ganz, ganz viele Wege. Ein Weg ist die Langsamkeit. Sobald wir langsam gehen, können wir uns ganz anders im Körper fühlen. Wir werden plötzlich in unserem Körper präsent. Wenn wir langsam essen, können wir die Geschmäcker in unserem Mund viel besser wahrnehmen. Wenn wir langsam reden, kommen wir viel besser mit unseren Gefühlen in Kontakt. Wenn wir langsam Sex haben, können wir viel besser Emotionen und Gefühle in uns wahrnehmen. Tiefes, bewusstes, langsames Atmen. Viele atmen nur flach im Brustkorb. Aber wenn wir tief in den Bauch atmen, bewegen wir das Zwerchfell nach unten, unsere ganzen Organe werden massiert. Sobald wir unten in den Bauch atmen, wird die sexuelle Energie angeregt, sie fängt an zu fließen, somit ist es viel leichter, dass wir in unsere Sinnlichkeit zurückfinden.

Ich würde auf jeden Fall von Pornos abraten. Dort wird uns ein sehr männliches Bild von Sexualität vorgespielt. Das heißt nicht, dass alle Pornos schlecht sind – aber die Art und Weise wie wir damit umgehen ist genau wie mit Zucker. Hin und wieder, ok - aber wenn wir täglich Zucker essen oder täglich Alkohol trinken, ist es einfach nicht mehr gut für unseren Organismus. Wenn wir jeden Tag Pornos schauen, denken wir irgendwann: so geht Sex, das ist die Realität. Dann fangen wir an, es genauso zu leben. Oft sind wir dann nicht mehr bei uns zuhause, nicht mehr im Fühlen, sondern wir performen irgendwas, jagen einem Orgasmus hinterher und verpassen das eigentliche Geschenk darin: die Sinne ganz auszukosten, neu zu erkunden.

Wir sind so auf das Sehen fixiert – aber was ist, wenn wir anfangen, bewusst zu schmecken? Spiele zu spielen – ich schmecke dieses Stück Obst zum ersten Mal. Was schmecke ich? Ich spüre den Regen auf meiner Haut, zum ersten Mal. Wie fühlt sich das an? Und plötzlich lassen wir uns vom Leben berühren. Plötzlich sinken wir mehr ins Leben ein, manchmal fühlt sich das an, wie Liebe machen mit dem Leben, Liebe machen mit dem Kosmos. Viel Sinnlichkeit ist im Spiel.

Die Natur ist großartig. Wenn wir langsam durch den Wald spazieren, es wirklich wahrnehmen, die Erde unter den Füßen spüren, den Geruch des Waldes aufsaugen, die Geräusche hören, wenn wir uns wirklich öffnen, können wir uns wie von der Natur penetrieren lassen. Das ist unglaublich schön und unglaublich sinnlich. Die ganzen großen Yoginis und Tantrika im Himalaya, die machen genau diese Dinge. Die sind oft jahrelang allein, abgeschieden, und die haben oft die beste Sexualität, weil sie sich einfach dem Leben hingeben. Sie sind sexuell mit dem Leben, mit der Natur. Das ist auf einer tiefen Ebene ganz erfüllend.

Grundpfeiler für nährenden Sex

Grundpfeiler für nährenden Sex

Guter Sex ist sehr relativ. Nennen wir es eine Sexualität, die nährend ist, die sich erfüllend anfühlt, die Halt gibt.

  1. LANGSAMKEIT. Mit Langsamkeit kommt Bewusstheit.

  2. PRÄSENZ & ACHTSAMKEIT. Wenn wir mit jemandem sexuell aktiv sind, machen wir oft die Augen zu – die Genitalien sind vereint, aber die Augen sind zu, man schaut sich nicht an, oftmals driftet man ab. Wir sind nicht mehr bei uns im Körper. Wir bekommen nichts mit: Was fühlen wir eigentlich? Wir sind nicht bei unserem Gegenüber. Präsenz üben ist sehr kraftvoll.

  3. ERGEBNISOFFENHEIT. Man fällt leicht darauf herein, dass man versucht, einem Ziel hinterherzujagen. Viele Leute denken, dass man Sex wegen dem Orgasmus hat. Ich sage: das stimmt nicht. Ich nehme gerne das MUS(S) aus Orgasmus raus, und ersetze es durch OrgasKANN. Stell dir vor du betrittst mit deinem Partner das Spielfeld der Sexualität und ihr nehmt das Ziel „Orgasmus“ raus. Was bleibt dann noch? Was will dann geschehen? Viele Leute kriegen dann Angst, denken: oh Gott. Was kann man denn dann noch machen? Ich behaupte: genau da geht’s erst los. Plötzlich ist man auf einem Feld der unbegrenzten Möglichkeiten. Plötzlich gibt es so viel mehr Möglichkeiten. Wenn dann ein Orgasmus geschieht, toll. Aber wenn keiner geschieht, mindestens genauso toll. So viel Leistungsdruck, so viel Performance fällt weg. Es gibt keine kritische Stimme mehr: „Ich muss es ihr besorgen“ – „Oh, ich bin schon wieder nicht gekommen“ – „er ist frustriert“ – „ich bin zu früh gekommen“ – „Ich habe keine Lust mehr, ich spiele einen Orgasmus vor“.
    So ziemlich alle von uns kennen diese Situationen. Wenn das plötzlich alles wegfällt, wird Alles einfach. Und ja, dann darf ein Penis auch mal weich werden. Ein Mann muss nicht die ganze Zeit eine Erektion haben. Damit geht so viel Stress, so viel Druck weg. Sehr empfehlenswert.

  4. NEUGIERDE & SPIELTRIEB. Als Erwachsene werden wir irgendwann alle so unglaublich ernst. Wir wollen es so richtig machen. Bloß keine Fehler. Das kann so anstrengend, liebestötend sein. Wenn wir das kurz abschütteln und uns mit einer kindlichen Freude verbinden, mit diesem Spieltrieb, dieser Neugierde, kann das unglaublich sein. Ich habe so einen Hundewelpen vor Augen. Der kommt angesprungen, stolpert über die eigenen Ohren, schnüffelt hier herum und beißt da rein. Wenn wir uns mit so einer Energie verbinden, ist es was ganz anderes.

    Man muss sich immer bewusstmachen: mein Gegenüber ist nie dieselbe Person wie am Vortag. Es sieht immer anders aus, riecht anders, fühlt anders, schmeckt anders. Es ist wichtig zu schauen: wer ist denn heute vor mir? Wer bin ich heute da? Was soll zwischen uns geschehen? Ich spreche gerne vom Meeting Point. Statt vorgefertigte Muster im Kopf zu haben – das muss geschehen, so muss es sein, das muss er machen - einfach zu schauen: was will hier gerade geschehen? Vielleicht geht es darum, dass man nur miteinander kuschelt. Bauch an Bauch liegt. Sich in die Augen schaut. Vielleicht geht es darum, dass ich der anderen Person am großen Fußzeh herumnuckle. Oder die Achselhöhle auslecke. Was auch immer. Vielleicht geht es darum, dass wir einfach übereinander herfallen. Aber da muss man wirklich schauen: Was ist das Ehrlichste, was hier und jetzt gerade geschehen will? Wenn wir diesen Meeting Point finden, dann kommt Entspannung, dann kommt Freude auf, und beide sind glücklich.

    Wenn ich das Erstes-Mal-Spiel im Alltag übe – mit Essen, mit Wasser, mit Berührung, mit Geräuschen etc., dann kann ich das auch bei meinem Gegenüber, bei mir Selbst viel intuitiver spielen. Wie ist es, wenn ich in diese Pobacke kneife? Was fühle ich unter meinen Fingern? Wie fühlt sich das noch an? Wenn ich mit meinen Zähnen reinbeiße, wie kann ich mit meinen Zähnen in der Haut rumspielen? Was geschieht dann? Es wird einfach nicht langweilig. „Beginner‘s mind“ heißt das.

  5. SICHERHEIT. Nur wenn wir uns sicher fühlen, können wir wirklich in die Hingabe gehen. Ins loslassen, in den Kontrollverlust. Das ist sehr individuell. Jeder hat sein individuelles Bedürfnis an Sicherheit. Der eine sagt: das geht nicht, wenn die Kinder draußen herumspringen. Der andere sagt: das geht nicht wenn das Telefon an ist und ich Rufbereitschaft habe. Es kann auch sein, dass man die Sicherheit braucht, dass der Sexpartner keine Geschlechtskrankheiten hat, oder es braucht ein Gespräch über Verhütung. Oder man sagt: ich will heute nicht an meiner Brust berührt werden, oder ich will heute keinen penetrativen Sex. Wenn wir das abgeklärt haben, haben wir plötzlich einen sicheren Rahmen und können uns entspannen. Sicherheit wirkt sich sofort auf unser Nervensystem aus, vor allem auf den Parasympathikus. Wenn der aktiviert ist, wenn wir uns sicher fühlen, kommen wir in diese Mobilisation rein, in diese Körperlichkeit. Dann kommen wir viel eher in dieses Orgasmische rein. Bis hin zu diesem ekstatischen Glückszustand. Das brauchen wir in der Sexualität, das brauchen wir auch für Geburten. Das hat alles mit den Nerven zu tun. Das Gefühl von Sicherheit ist nicht zu unterschätzen. Sehr spannend, weil es unglaublich individuell und unglaublich unterschätzt ist.

  6. KOMMUNIKATION. Etwas so unterschätztes. Ich soll über Sex reden – aber das ist ja total unattraktiv, das ist ja liebestötend. Ja, so habe ich früher auch gedacht. Aber es passiert so oft, dass zwei Leute sexuell aktiv sind, der eine macht, der andere lässt es über sich ergehen. Beide tun es für den anderen, niemand genießt es wirklich – und nach 10 Jahren kommt erst heraus, dass das keiner braucht. Ich nenne das „aneinander vorbeisexen“.

    Warum sollen wir etwas über uns ergehen lassen? Warum Schmerzen haben, gestresst sein, sich nicht sicher fühlen? Es ist schön, voneinander zu lernen. Wenn mein Gegenüber mir sagt: Schau mal, mach das so, dann denke ich: super, jetzt weiß ich viel genauer was zu tun ist und muss kein komisches Rätselraten mehr spielen. Es kommt auch darauf an, WIE wir kommunizieren: negatives Gerede kommt natürlich nicht gut an.

Tantra: eine vielfältige Lebensphilosophie

Im Westen assoziieren viele Menschen Tantra mit Sex. Aber Tantra ist mehr: eine Lebensphilosophie, eine Ausrichtung. Wie Yoga oder Buddhismus. Es umarmt das ganze Leben. Wenn Tantra ein Wald ist, ist Sexualität ein Blatt in diesem Wald. Massage ein anderes, und dann gibt es noch Milliarden weitere Blätter. Es ist: nach Hause in meinen Körper kommen. Bewohne ich meinen Körper wirklich? Bin ich in der Lage, meinen Körper zu kontrollieren? Pflege ich ihn gut? Habe ich die Kontrolle über meine Gedanken?

Meistens kontrollieren uns die Gedanken – es geht darum, dass wir dort sind, wo unsere Gedanken sind, und dass wir anfangen sie zu kontrollieren. Dass wir uns unsere Schattenseiten anschauen. Unsere unbewussten Muster, die wir immer wieder ablaufen lassen. Wir sind immer wieder in der Vergangenheit, in der Zukunft. Es geht darum, in die Gegenwart zu kommen, uns mit den Elementen zu verbinden. Uns mit Schuld, Scham, Ekel, Widerstand auseinanderzusetzen. Es ist ein Weg zu uns nach Hause. In meinen Augen der liebevollste und bedingungsloseste Weg, den ich bisher ausfindig machen konnte.

Es gibt keine Dogmen, es gibt keine Regeln. Jeder Mensch ist individuell, und jeder tantrische Meister geht individuell auf jeden einzelnen Schüler ein. Da ist so viel Liebe, so viel Wohlwollen. In den 70er, 80er Jahren hat Osho das Tantra in den Westen gebracht. Er hat Sexualität hochgeholt und angefangen, viel mit Sexualität zu arbeiten, was auch großartig war. Aber der Westen hat fast nur das aufgenommen.

Die Gebärmutter – das Tor zum Göttlichen

Ich beschäftige mich schon eine Weile mit meiner Gebärmutter. Und je tiefer ich gehe, desto unfassbar genialer, abgefahrener, größer, magischer wird das Thema. Im Endeffekt ist unsere Gebärmutter der Eingang zum Kosmos, zum Universum, in eine andere Dimension, in die Einheit zum Göttlichen, wie auch immer man das nennen mag.

Das erfahre ich – und ich kenne ganz viele Menschen, die die gleiche Erfahrung gemacht haben, Das kann man auch bei tantrischen Lehrern erfahren. Die Cervix, der Gebärmutterhals, ist der Eingang, das ist die Pforte zwischen hell und dunkel, zwischen Geist und Materie, zwischen Leben und Tod.

Ich finde das Wort Gebärmutter, wie viele andere auch, nicht gut gelungen. Es reduziert dieses geniale Organ rein auf das Gebären. Aber es kann so viel mehr. Die Gebärmutter ist wie unsere innere Lehrerin, unser inneres Orakel. Wir können mit ihr in Kontakt treten, wir bekommen Antworten. Wir bekommen Visionen.

Wir können viel Lust über die Gebärmutter und die Cervix empfinden, wir können Orgasmen erleben. Die sind anders als andere Orgasmen. Die Gebärmutter ist unser Lustzentrum. Bei vielen Frauen ist die Cervix aber taub, sie können es nicht fühlen. Das bedeutet Trauma: das kann von unachtsamer Penetration, Abtreibung, traumatischer Geburt, sexuellem Missbrauch kommen. Oder Epigenese, wenn etwa die Oma im Krieg vergewaltigt wurde. Das kann sich im Schoß manifestieren. Es können Dinge aus unserer Kindheit sein. Ein Schreck, eine Angst, die sich im Schoßraum ablagern.

Die gute Nachricht: das kann man entpanzern. Wenn wir in der Lage sind den Gebärmutterhals zu fühlen, wenn dann ein liebevoller, bewusster, entspannter Penis eindringt, ein Mann, der sich daran erinnert, dass sein Penis wirklich ein Liebesorgan ist – dann kann man spüren, wie sich Muttermund und Eichel küssen. Das ist eines der allerschönsten Sachen, die ich je gefühlt habe. Das ist eine ganz Andere Form von Sex als wir sie kennen. Wir tragen diesen Eingang zum Göttlichen, zum Universum, in uns. Über die Vagina kann sich ein Mann mit dem Göttlichen rückanbinden. Sie stöpseln sich an.

Rückbinden heißt auf Latein religare – Religion kommt vom Rückbinden. Für mich ist das die heiligste Form von Religion, die wir praktizieren können. Es ist der einfachste Weg. Wir alle haben einen Körper: wir müssen uns nur daran erinnern. Wir brauchen keine Institution Kirche, keine Gurus, keine Priester. Wir können das alle allein.

Es ist kein Wunder und kein Zufall, dass die großen Weltreligionen patriarchal geprägt sind. Und dass die meisten Politiker, größtenteils männlich so sehr gegen Körperlichkeit, Weiblichkeit, Sexualität sind. Der Weg in die Einheit ist in uns und er ist sehr leicht – aber wenn man ihn uns verbietet, wenn man beginnt, das zu kontrollieren, gehen wir in Schuldgefühle und Scham. Dann sind wir kontrollier- und manipulierbar. Das ist sehr lukrativ für Institutionen, Kirchen und für die Politik. Wo kämen wir denn hin, wenn wir alle selbstermächtigte Menschen in ihrer Fülle wären?

Über klitorale und vaginale Orgasmen

Es ist nicht korrekt, zwischen klitoral und vaginal zu unterscheiden – die Klitoris, das wissen die meisten mittlerweile, ist nicht nur der kleine Knopf. Sie ist ein richtiges Organ, ein Komplex, der bis zu 12 cm lang ist, mit Schwellkörpern. Vaginal wird immer auch die Klitoris stimuliert. Die Klitoris ist in allen Orgasmen involviert, es sei denn es geht über die Cervix. Das ist der einzige Orgasmus ohne Klitoris. Querschnittsgelähmte Frauen etwa sind klitoral nicht mehr in der Lage, einen Orgasmus zu haben – über die Cervix aber geht das schon.

Zwei Drittel der Frauen können nur von außen, über die Klitoris kommen. Ein Drittel kann auch von innen. Es hat auch damit zu tun, wie trainiert die Nervenendigungen in der Vagina sind. Wenn sie nicht an Stimulation gewöhnt sind, werden die zugehörigen Hirnareale nicht aktiviert. Dann feuert Nichts ab. Wenn wir es trainieren, es massieren, reinfühlen, reinatmen, dann fangen wir an, die Nervenendigungen auszubilden. Gleichzeitig spielt der Beckenboden, die Spannung im Körper mit rein. Wenn man bewusst damit arbeitet, kommen die allermeisten auch vaginal zum Orgasmus. Es gibt verschiedene Punkte: die G-Fläche, den A-Punkt, den B-Punkt, die Cervix, es gibt noch einen X-Punkt und den K-Punkt. Das sind Nervenendigungen. Die trainieren kann dauern. Ich habe zweieinhalb Jahre dran gearbeitet bis ich irgendwann gemerkt habe: JETZT bin ich richtig da. Das braucht einfach manchmal Zeit, Geduld, liebevolle Zuwendung. Es passiert nicht in 5 Tagen. Es kann bei einigen vielleicht auch schnell passieren. Aber manchmal dauert es einfach auch länger.

Zu Kleinkindern: ein Penis ist nach außen gewachsen. Da reibt die Hose, man kann ihn viel besser anfassen als die Vagina, dadurch werden viele Nervenendigungen trainiert. Aber die Vagina, da fassen sich Kinder in der Regel nicht innen an. Das geschieht erst in der Pubertät. Je nachdem wie oft man sich berührt oder nicht wird es stimuliert, aktiviert, ausgebildet.

Sexualität & Geburt: häufige Trauma-Quellen

Da ich immer Hebamme werden wollte, war ich bei vielen Geburten dabei. Ich habe viele Praktika gemacht, war bei Hausgeburten, war im Geburtshaus, im Krankenhaus, bei vielen Kaiserschnitten dabei.

Was ich immer wieder beobachtet habe: viele Frauen können es, man lässt sie nur nicht. Wir leben in einer männlich dominierten Welt. So ist unsere Wirtschaft, unsere Politik, unsere Religion, unser Bildungswesen, unser Gesundheitswesen. Alles ist am männlichen Prinzip ausgerichtet. Auch die Art und Weise, wie wir unsere Kinder gebären sollen, auch die Art und Weise, wie wir unsere Sexualität leben.

Geburten werden immer ins Krankenhaus manövriert - und ein Krankenhaus ist ein wirtschaftliches Unternehmen. Es gibt weder die Finanzen noch die Zeit, um die Frauen optimal zu betreuen, wie es sein sollte. Stattdessen ist eine einzige Hebamme für zu viele Frauen gleichzeitig zuständig. Die Frauen fühlen sich oft allein gelassen, sie werden gar nicht ermächtigt. Es wird immer alles an die Maschinen und die Ärzte, die Götter in weiß abgegeben. Aber ich behaupte: kein Mensch, kein Arzt weiß es besser als der Körper der Frau, wir haben es nur vergessen.

Ich habe viel recherchiert in diesen ganzen Jahren, mich mit vielen Hebammen unterhalten, ich bin viel gereist und habe viele Bücher gelesen. Viele Naturvölker behaupten: Geburt tut nicht weh. Geburt ist kurz. Wenn auf Bali vor einer Generation eine Geburt noch länger als 3 Stunden gedauert hat, sind die Familien schon zur Hebamme gegangen und haben gefragt: warum dauert das denn so lange? Geburt ist in meinen Augen, wie ich es verstanden und beobachtet habe, eigentlich so ausgelegt, dass sie nicht länger als 3-5 Stunden dauert. Es ist schmerzfrei und kann bis hin zu ekstatisch, orgiastisch, lustvoll sein. Nur – wir haben es vergessen. Wir hatten 800 Jahre Hexenverbrennungen, wir haben 2000 Jahre Patriarchat, dieses Wissen ist in Vergessenheit geraten. Aber es ist in uns drinnen, und jetzt geht es darum, dass wir dieses Wissen wachküssen. Dass wir uns anfangen, wieder daran zu erinnern - wir können es.

98% aller Geburten erfolgen mit einem medizinischen Eingriff. Das ist einfach viel zu viel, das muss nicht sein. Jedes 3. Kind wird per Kaiserschnitt geholt. In den letzten 25 Jahren sind die Kaiserschnitte von 10% auf 30% angestiegen. Das muss nicht sein, das ist sehr schade. Das liegt zum Teil an der Unwissenheit der Ärzte und an den Hebammen, die sich immer mehr an den Ärzten und Maschinen orientieren müssen. Sie verlernen mehr und mehr ihr Handwerk. Zum Teil liegt es am Krankenhaus und an den Versicherungen, die ein wirtschaftliches Interesse haben. Dazu kommt noch die Unsicherheit der Frauen. Viele Faktoren spielen rein: im Endeffekt sind Frauen nicht in ihrer Kraft, nicht in ihrer Macht. Dadurch entsteht ganz, ganz viel Trauma.

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