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Herbst zu Winter: das Element Wasser in der TCM

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I: Ich sitze heute hier mit Yu. Wir sind momentan im Übergang von Herbst zu Winter: wir kommen jetzt laut TCM mit dem Winter im Element Wasser an. Was bedeutet das?

B: Das Wasserelement ist das Element der Ruhe, also die Zeit der Ruhe. Im Herbst haben sich die Säfte zurückgezogen, das sieht man auch an den Bäumen, am Laub, und damit auch die Energie runter in die Wurzeln gezogen. Die Natur braucht die Energie im Inneren, bei den Bäumen in den Wurzeln. So sollte es auch bei uns Menschen sein. Dass wir unsere Energie wieder nach Innen fließen lassen, wieder zur Ruhe kommen. Und nicht wie im Sommer tagsüber viel draußen sind, viel arbeiten, wenig schlafen. Im Winter, wo das eigentlich kontraproduktiv ist, ist es schon sehr zerrend, und verlangt viel Nierenessenz, dann kann man schnell krank werden, weil das unser Immunsystem schwächt, und so weiter, der Zyklus.

I: Deswegen bin ich heute hier, ich find das interessant mit dem mehr im Einklang mit diesem Zyklus leben. Es hat mir diesmal das erste mal erlaubt, mir wirklich diese Ruhe zu gönnen, gerade jetzt im Winter. Deswegen finde ich es so geil, weil auch unsere Gesellschaft ein bisschen von uns verlangt, immer in der Feuerenergie, im Sommer zu sein, weil wir da auch am produktivsten sind. Bei mir auch. Wie würdest du sagen, hat dir das geholfen, wieder mehr im Zyklus von den Jahreszeiten zu leben?

B: Ich habe auch lange gebraucht, bis ich mir erlaubt habe, mich zurückziehen zu können. Dass ich jetzt früher schlafen gehe und deswegen gleich uncool bin. Und dass ich meine Projekte jetzt auch nicht unbedingt noch bis Jahresende durchdrücken muss, weil mir mein Verstand oder die anderen das sagen. Das mache ich jetzt nicht mehr. Ich ernähre mich sowieso im Jahreszyklus nach TCM. Im Sommer kann ich Eis essen, aber jetzt nicht – so ganz kleine Sachen, und sie tun dem Körper so gut. Wenn ich mich so garnicht auskenne und alles chaotisch ist und ich gerade nicht durchblicken kann, nehme ich mir gerne wieder die klassischen Werke, Bücher zur Hand, und schaue, wie sie mir dienen können. Da steht dann drin: Herbst ist die Zeit der Klarheit, wo man alten Ballast abwirft. Dann denk ich mir im Herbst: ok, wie bereite ich mich auf den Winter vor, damit er nicht depressiv wird, wo ich nicht am liebsten garnichts machen möchte, sondern doch moderat alles hinbekommen kann.

I: Wir sind im Endeffekt das einzige „Tier“, das nicht nach den Jahreszeiten lebt. Wie du gerade gesagt hast: auf den Winter vorbereiten. Wir glauben, 360 Tage im Jahr sind wir genau gleich, und dass wir genau gleich funktionieren müssen. Da sind wir glaube ich echt relativ einzigartig im Universum mit diesem Glauben.

B: Absolut. Wenn wir zum Herbst zurückkommen: wir sehen draußen eindeutig: alles fällt ab, alles stirbt, natürlich ist unten tief in den Wurzeln auch alles gespeichert. Die Samen brauchen einfach diese Stille, diese Ruhe, diese Zeit, um im Frühling wieder aufzublühen und im Sommer lebendig zu sein, zu strahlen. Nur, wir checken das nicht.

I: Wie zeigt sich dieses Wasserelement in unserem Innenleben?

B: Da dominiert die Stille, die Ruhe. Die Stille ist ein Potenzial, das wir nicht anerkennen, oder auch gar nicht kennen.

I: Ich tu mir ganz schwer bei Stille. Hab ich nur beim Meditieren.

B: Da würde ich jetzt an das Ying und Yang Prinzip denken. Da gibt es diese Oppositionen, die sich ergänzen. Und die Kraft schöpft man aus der Ruhe. Was zum Innenleben aber auch gehört: wenn wir schon von Stille und Ruhe gesprochen haben: tiefe Bedürfnisse. Was will ich wirklich? Die Sexualität ist auch etwas sehr verborgenes, das aus den tiefsten Wünschen sich zeigen kann. Das Urvertrauen stammt auch aus unserer Tiefe. Der Wille. Und wenn man in Disbalance ist, eben auch die Angst. Wenn man sich zu viel fürchtet, schwächt man auch seine Nierenessenz, das Wasserelement.

I: Wie zeigt sich das Wasserelement in unserem Körper, in unseren Organen?

B: Zum Wasserelement gehört die Niere und die Blase. Das ist ein Organpärchen. In unserer Niere speichern wir laut TCM auch unsere Ursprungsenergie, das, was uns unsere Eltern vererbt haben. Das ist quasi unsere energetische Vorratskammer. Da wird die ganze Substanz gespeichert. Substanz ist in der TCM unsere Knochen, unsere Zähne, also das Materielle. Natürlich auch der Yang-Aspekt: die Wärme, die unser Körper braucht, das Verdauungsfeuer, auch ein Nierenyang, damit das angekurbelt wird.

Und die Blase: nicht am kalten Stein sitzen, sonst kriegst du die Entzündung, es wird chronisch, lalala. Da hatten sie alle recht, die Mütter und Omas.

Stress, exzessives Leben, Drogen oder auch Geburten, das alles schwächt unsere Nierenessenz. Was ok ist, weil wir das in unserem Leben abbauen: Wenn man sich eine Kerze vorstellt, die brennt auch langsam ab. Aber durch dieses exzessive Leben, das zehrt, das belastet und zieht unnötig viel weg. Wir feuern zum Beispiel in den 20ern alles schon raus. Jetzt in dieser Jahreszeit sollte man das Yin nähren. Die Ruhe, das Stille, das Dunkle. Das nährende, warme Gerichte, Yin-Yoga, sowas.

I: Was sind die Ying – Yang Unterschiede?

B: Yin ist das Weibliche. Materie, zum Beispiel: der Mond, die Frau, das Blut. Blut ist Yin im Körper: es ist rot, es ist flüssig, das sieht man. Und Chi, also Energie, wäre wieder Yang. Das ist das Dynamische. Du siehst es nicht wirklich, aber es bewegt sich. Das wäre jetzt auch wenn man Sonne und Mond nimmt: Sonne Yang, Mond Yin.

I: Das Weibliche, Das Yin ist mehr Intuitiv, während das Yang strategisch ist. Dann ist das Yin auch zyklischer, das Yang ist linearer. Oder?

B: Ja, Yin-ige Menschen agieren aus dem Inneren, eher durchdachter. Yang sind explosivere, spontane, schnelle Menschen.

I: Im Endeffekt tragen wir alle Weiblich und Männlich, Yin und Yang in uns. Im Endeffekt müssen wir schauen, dass wir beide in Balance haben oder vereinen. Ist das die Idee dahinter?

B: Sie ergänzen sind und sind nicht wirklich die Gegenpole voneinander. Wenn wir dynamisch und effektiv sein wollen, geht das nur aus einer Ruhezeit heraus. Woher sollst du sonst diese Kraft schöpfen. Woher soll das auch sonst kommen. Deswegen musst du dir selbst auch beide Teile erlauben.

I: Es gibt das ganz berühmte Bruce Lee Zitat: Sei wie Wasser. Be like water, my friend. Ich kann es nur jedem empfehlen, sich das auf Youtube anzuschauen. Wie würdest du das interpretieren?

B: Wasser kann wild und stürmisch sein, aber auch weich und sanft und anschmiegsam. Ich interpretiere das so, dass ich meinen Weg zum Ziel auch sanft wie ein Fluss bahnen kann, ohne Gewalt. In Daoismus, eine Philosophie aus dem alten China, nehmen sie das Wasserelement gern als deren Sinnbild her. Damit versuchen sie zu erklären, dass die Natur einen fließenden Verlauf hat, der ohne Zwang und ohne Absicht geschieht. Das wird Bruce Lee auch damit meinen, dass du Sachen intuitiv geschehen lassen sollst, dieses go with the flow, fließen lassen sollst. Das verbinde ich sehr gerne mit dem Daoismus, weil das Naturgesetz ist. Man muss nicht Alles durchanalysieren oder forcieren. Da wären wir bei dem ohne Gewalt, ohne Absicht. Du tust etwas, weil du es spürst, nicht, weil du es durchdenken musst.

I: Im Kundalini gibt es dieses Konzept von Sachen wirklich zu sich kommen lassen. Es gibt prosperity meditations, das sind alles so Sachen, die du machst, um deine Aura golden zu machen, um sie zu reinigen. Damit du dann automatisch Sachen anziehen und zu dir kommen lassen kannst, und nicht dieses forcieren.

B: Es darf einfach sein. Das ist das Mantra dahinter. Nicht so superkalt realistisch, ich denke gerade an ein Zitat aus einem Buch. Alles geschehen lassen, zu dir kommen lassen. Aber da haben sie auch geschrieben: ein richtiger Taoist freut sich nicht über die Geburt, über das Leben, fürchtet aber auch nicht den Tod. Das fand ich ganz cool. Aber ist natürlich viel schöner mit goldenem Licht und anziehen, aber es ist ungefähr dieselbe Aussage.

I: Wie schaut das aus, wenn das Wasser in uns in Balance oder in Disbalance ist?

B: Wenn wir in Balance sind, wenn wir ein starkes Nieren-chi haben, handeln wir aus innerer Kraft heraus. Haben einen starken Willen. Das bedeutet, wir können uns Veränderungen gut anpassen, fürchten uns nicht vor Herausforderungen. Sind mehr im Spüren, intuitiv, geduldig, haben einen starken Willen. Wenn wir in Disbalance sind, fehlt es uns grundsätzlich an einem Grundvertrauen: in unseren Körper, unsere Fähigkeiten, unsere Persönlichkeit. Das bedeutet: wir können uns leicht beeinflussen lassen, verzweifeln, werden ängstlich. Angst ist auch dem Wasserelement zugesprochen, das uns schwächen kann. Was viele Leute gern machen: sie kompensieren ihre Ängste mit Überaktivitäten. Sprich: übertriebener Ehrgeiz, Sachen überspielen, bis zu Erschöpfung hin. Dann treten Burnouts oder Depressionen auf. Wurzelgemüse oder Kohlgemüse kann man essen: aber nicht zu viel davon, wir sitzen ja doch sehr viel drinnen und bewegen uns jetzt nicht so viel wie in den anderen Jahreszeiten. Linsen sind super, gehören auch zum Wasserelement. Fisch sowieso, und wärmende Gewürze: Wacholder, Rosmarin, Liebstöckel. Das in die Suppen rein.

I: Knoblauch ist super gegen Viren.

B: Ja, und Ingwer.

I: Sonst noch was zu empfehlen?

B: Kein Eis. I’m sorry people. Wir wollen in der TCM ja alles in Balance halten, und es ist sowieso schon so kalt, alles was runterkühlt, Tiefkühlgemüse auch kaum, und auch nicht zu viel Rohkost, für die Leute, die eh schon Verdauungsprobleme haben. Es ist roh und kalt, jetzt geht es aber mehr in Richtung Ofengemüse etc um das in Balance zu halten.

I: Das meiste machen die Leute glaub ich intuitiv, mir würde es jetzt auch nicht einfallen, ein Eis zu essen. Aber das mit der Rohkost könnte ich mehr machen.

B: Smoothies bitte nicht. Also für hitzige Typen, die immer einen hochroten Kopf haben, für die ist es vielleicht noch ok. Zum Mittagessen, zu was Warmem. Aber bitte nicht jetzt, es ist nicht die Zeit dafür.

I: Als frischgebackene Kräuterpädagogin beschäftige ich mich auch sehr viel mit tonischen Kräutern aus der TCM, und lese viel darüber. Da kann ich noch empfehlen: Astralagus. Das wird in der chinesischen Tradition „der große Beschützer / die große Beschützerin“ genannt. Das ist wirklich ein super Kraut: kann man als Pulver kaufen, weil es super bei Erkältungen, Grippe ist. Es soll für das Immunsystem die Verteidigungslinie, das Schutzschild sein. Es boostet das Immunsystem, macht bisschen anpassungsfähiger. Und stärkt das Chi und die Durchblutung. Es ist auch ein Energietonikum, es sorgt für mehr Energie und Vitalität im Alltag, so ein bisschen Duracell-Hase-Energy. Aber im Gegensatz zu Stimulantien wie Koffein gibt es dir nachhaltige und ausdauernde Energie, und nicht dieses kurzfristige Herzrasen. Das ist bei diesen tonischen der Unterschied: die Leute fragen mich ganz oft, gerade wenn ich Adaptogene oder so etwas poste: funktioniert das? Da ist immer das: spürst du was? Nein, man spürt nichts, aber man soll auch nichts spüren. Das ist der Unterschied zwischen adaptogenen Kräutern und einem Stimulantium wie Koffein, Kokain, Amphetamin wo du sofort was spürst. Aber diese anderen, diese Kräuter, das soll dir wirklich ausdauernde, anhaltende Energie geben, wo du es nicht zwingend so extrem im Körper spürst. Das spürst du erst, nachdem du es über einen längeren Zeitraum eingenommen hast. Dann merkst du vielleicht irgendwann so: he, ok, mir kommt vor, ich lasse mich nicht so schnell aus der Bahn werfen. Aber es ist nicht: wenn ich jetzt heute einen Teelöffel Astralagus nehme, wird mir das nicht helfen. Das muss ich konsequent über den Winter einnehmen.

Sonst noch Tipps, um in der Winteressenz zu leben?

B: Du hast die Meditation eh schon erwähnt. Weiter so. Ich bemühe mich auch, das auch täglich zu machen und nicht zu vergessen. Da kommt man in die Stille, die man im Winter leben soll.

I: Im Dezember liebe ich die Raunächte, nach Weihnachten. Das ist für mich immer wenn ich an Stille denke das so die Zeit. Weihnachten bis Silvester ist für mich die Verkörperung von Stille.

B: Wenn nicht meditieren, dann Musik. Da wird man meistens auch still. Meistens. Es gibt auch das Sprichwort: ist unser Wasser klar und ruhig, können wir bis auf den Grund sehen. Dann kannst du dich kennenlernen. Und das Sprichwort: nach tun folgt ruhen. Sonst: für die mit kalten Füßen am Abend ein Fußbad mit Ingwersud. Das würde ich am Herd kochen, dann ins Fußbad hinein, damit es schon länger gekocht war und alles ausgesogen ist. Sonst: moderate Körperübungen. Keine 60-minütigen Hiit-trainings. Aber YinYoga, Akkupressurmassagen, andere Massagen, um das in Bewegung zu bringen. Die Leute die Angstgefühle verspüren im Winter: kleine Diaries zu führen. Ich führe schon ewig kein Tagebuch mehr, aber wenn man sich jeden Tag drei gut gelungene Sachen aufschreibt, oder drei Glücksmomente, da verfällt man nicht in diesen Blues wo alles schwarz und grau ist. Am Morgen kann man auch drei Sachen aufschreiben, für die man dankbar ist. Ich bin dankbar, dass meine Pflanze noch lebt. Weil ich mich so gut drum kümmere. Und was man tun kann, damit es ein schöner Tag wird. Die positiven Aspekte hervorgraben, mehr Glück kultivieren. Mindset shiften.