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Fight, flight & overheating: Wie die Klimakatastrophe unsere mentale Gesundheit beeinträchtigt & man damit umgehen lernt

Wie die Klimakatastrophe unsere mentale Gesundheit beeinträchtigt & man damit umgehen lernt von Pia Gärtner (Foto: Martina Trepczyk)

Und jährlich grüßt das Murmeltier: “20xx war das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.” Der Hitzerekord in der nördlichen Halbkugel wurde gebrochen.

Wenn wir ehrlich sind, haut uns diese Schlagzeile leider nicht mehr vom Hocker. Wir gehen trotzdem arbeiten, feiern, smalltalken und planen Urlaube, als wäre es nichts.

Klima & mentale Gesundheit

Aber tief drinnen weiß der Teil unseres Gehirns, der unsere Instinkte steuert, dass hier etwas fundamental falsch läuft und wir uns eigentlich in Gefahr befinden, weil unser Lebensraum und somit unser Überleben bedroht ist: Es wird immer heißer auf der Erde und wir können nirgends hin ausweichen. Gleichzeitig geht die Biodiversität stark zurück und ganze Ökosysteme sind gefährdet – auch die Pandemie, die wir durchleben, hat viel damit zu tun, dass der Lebensraum von Wildtieren immer stärker zerstört wird.

So heftige Bedrohungen globalen Ausmaßes produziert starke Gefühle, und wie wir mit diesen umgehen, spielt widerum eine große Rolle bei der Gestaltung der Zukunft:

Bleiben wir in Angst und Panik, die uns daran hindert, die richtigen Schritte zu machen und dabei vor allem nicht auszubrennen? Reagieren wir mit Verdrängung auf diese Probleme und schauen weg? Oder verfallen wir gar in Hedonismus: Wer weiß, wie lange das noch geht, jetzt hauen wir erst Recht ohne Rücksicht auf Artenverluste auf den Putz?

Zusammenhang mentale Gesundheit & Umweltzerstörung

Egal welche der drei Möglichkeiten es ist, keine dieser Emotionen oder Haltungen hilft uns aus der Krise. Du siehst: Der Zusammenhang der zwei Faktoren mentaler Gesundheit und Umweltzerstörung ist auf den ersten Blick nicht sofort erkennbar, aber immens wichtig.

Die Medien spielen dabei eine große Rolle: Wie wird über Klima und Umwelt berichtet, welche Bilder und Begriffe kommen zum Einsatz?

Tree Hugging (Foto: Martina Trepczyk)

Klima & Emotionen

Entweder es wird überhaupt nicht oder zu wenig berichet, oder es werden Horrorszenarien vom brennenden Planeten und dem Ende der Menschheit gezeichnet. Der Eisbär in fernen Regionen ist genauso sinnlos, selten geht es um regionale Probleme und Lösungen.

Wir kennen die Bilder von den Waldbränden in Australien, Kalifornien und vom Amazonas, aber die Auswirkungen beschränken sich längst nicht mehr nur auf entfernte Gebiete.

Der Zeithorizont, der die Größe „Klima“ erfasst (30 Jahre), ist für uns Menschen eigentlich viel zu groß, um sich das Ganze wirklich vorstellen zu können. Trotzdem wird auch im eigenen unmittelbaren Umfeld zunehmend wahrnehmbar, was los ist: Schon im Juni sieht man in Wien verdorrte Wiesen und Blätter in den Parks, in Berlin etwa ist in den letzten Jahren das Wasser durch Dürre immer knapper geworden.

Was das Wissen von Kipppunkten, steigender CO2 Konzentration und Meeresspiegel mit uns und unseren Vorstellungen der Zukunft macht, wird aus dem Diskurs häufig ausgeklammert; aus einem Diskurs, der von Begriffen wie „Aussterben“ und „Kollaps“ nur so strotzt. Und das soll uns dann kaltlassen? 

Mental Health ist immer noch ein Randthema der Gesellschaft und der Medien, vor allem im Zusammenhang mit dem kollektiven und anhaltenden ökologischen Fuck Up der Menschheit. Bisher wurden psychische Probleme vor allem mit direkter Betroffenheit von Umweltkatastrophen in Verbindung gebracht, etwa wenn Angehörige durch Hungersnöte oder Überflutungen sterben oder man selbst betroffen ist.

Es ist aber auch klar, dass es für noch nicht direkt betroffene schwer deprimierend ist, sich dem Ausmaß der Probleme wirklich bewusst zu sein: Eine Market-Befragung in Österreich ergab kürzlich, dass junge Menschen weniger optimistisch und zunehmend gestresster sind als früher (Überraschung!).

Fachausdrücke für Klimaängste: Eco Anxiety (Umweltangst), Climate Grief (Klimatrauer) und Sostalgie

Zukunftsängste und diffuse Unruhe, dass gleich irgendetwas Schlimmes passieren könnte, gehören für viele zum Alltag. Den Klimawandel empfinden 45% als Bedrohung, jede bzw. jeder zweite verspürt Angst, aber auch Hilflosigkeit, Wut, Unsicherheit, Traurigkeit.

Fachausdrücke dafür sind: Eco-Anxiety (Umweltangst), Climate Grief (Klimatrauer) und Sostalgie (das belastende Gefühl des Verlustes, das entsteht, wenn jemand die Veränderung oder Zerstörung der eigenen Heimat bzw. des eigenen Lebensraums direkt miterlebt). 

Emotionen & Logik in der Klimakrise

Oft wird suggeriert, dass es in der Klimakrise um Fakten ginge, um Daten und Wissenschaft. Emotionen werden dabei als Gegenpol zur Logik gesehen, die man besser nicht ernst nehmen soll, aber diese Art der Trennung ist nicht mehr zeitgemäß.

Heute können und müssen wir die Emotionen mitnehmen und ihnen Raum geben, in den Medien, in unseren Diskussionen, in der Wissenschaft. Kein Bereich ist mehr von der Thematik und den damit aufkommenden Gefühlen getrennt. Sie sind normal und können uns antreiben und wachrütteln, in the long run aber nicht zielführend und sollten kein Dauerzustand werden.

Aber wir müssen zugeben, dass sie da sind. Tun, als wär nichts, hilft weder den Korallenriffen, noch uns selbst weiter: Wir müssen raus aus der Verdrängung und der Verzweiflung, raus aus der Hoffnungslosigkeit. Weder ist man nämlich aus der Verantwortung als Einzelner ausgenommen, noch allein für das Ganze verantwortlich. Solche Gefühle sind, wenn sie chronisch werden, entmutigend und sehr belastend.

In einem 2017 von der American Psychological Association zum Thema veröffentlichten Report wird sogar von prätraumatischen Belastungsstörungen gesprochen. Anders als die posttraumatische Version tritt sie auf, bevor ein einschneidendes Erlebnis eintritt. Allein die Vorstellung zukünftiger Schäden verstört.

Kurzfristige vs. langfristige Auswirkungen der Klimakatastrophe

Wir müssen lernen, wie man in einer Welt, in der es zunehmend ungemütlich wird, mit den damit einhergehenden Gefühlen umgeht, um wieder zu Kräften zu kommen. Denn das ist ein Powermove für die eigene Gesundheit und für die Erde.

Es muss zwischen kurzfristigen und langfristigen Auswirkungen der Klimakatastrophe auf die mentale Gesundheit unterschieden werden: Man weiß mittlerweile, dass viele Menschen etwa auf Hitze oder Luftverschmutzung depressiv, ängstlich und gereizt reagieren. Da kann man mit unmittelbaren Maßnahmen gegensteuern, zum Beispiel indem man kühlere Orte aufsucht, Anstrengungen vermeiden, genügend trinkt usw. Bei der Angst vor dem drohenden Doomsday, die sich dauerhaft in unserer Amygdala eingenistet hat, ist das Ganze nicht so easy. Trotzdem gibt es Wege, die helfen, vernünftig mit unseren Gefühlen und den großen Problemen umzugehen.

Wir müssen aber darüber reden, wie es uns geht und darüber, was passiert.

Wir müssen lernen, wie man in einer Welt, in der es zunehmend ungemütlich wird, mit den damit einhergehenden Gefühlen umgeht, um wieder zu Kräften zu kommen. Denn das ist ein Powermove für die eigene Gesundheit und für die Erde.

Es geht darum, sich im Angesicht der Katastrophen eine gewisse Resilienz aufzubauen, nicht darum, Angst und Wut loszuwerden. Jede Emotion darf sein und ist weder gut noch schlecht.

Wie mit Klimaangst umgehen

Es ist zunächst wichtig, so gut wie möglich informiert zu sein und sich in einem für sich selbst stimmigen Rahmen mit der Thematik auseinanderzusetzen. Natürlich kann keiner die Zukunft voraussagen, aber Klimawissenschafter*innen sind ziemlich gut darin. Wann wird es wie heiß? Wo stehen wir gerade? Fakten zu kennen, kann erschütternd sein, aber vage Vorstellungen und Halbwissen helfen nicht weiter, sondern verunsichern nur.

Es ist trotzdem okay, sich nur in einem Maß zu informieren, das nicht überwältigend belastend ist, indem etwa Mediendetox Phasen und Infostops eingelegt werden, wenn nötig.

Mach dir zum Beispiel einen eigenen Social Media Account mit dem du nur Klimaaccounts folgst. So hat man mehr Kontrolle über die Menge an Infos, die man konsumiert.

Der IG Account „Klimaangst“ sammelt Wissenswertes zum Thema.

Als nächstes muss den aufkommenden Gefühlen Raum gegeben werden: „You have to feel it to heal it“ - denn Verdrängung von Gefühlen ist selten eine gute Idee (Nie. Es ist nie eine gute Idee.) Es ist also wichtig, sich nicht nur zu informieren, sondern sich dann auch auszutauschen und darüber zu reden, in Gruppen, in Organisationen, mit Vertrauten, Freund*innen oder Psychotherapeut*innen.

Ein anderer Weg ist der kreative Output, indem man die Gefühle channelt und darüber schreibt, im eigenen Journal oder sonst wo im Internet, oder Kunst macht.

Überhaupt ist Aktivwerden in jeder Hinsicht der wichtigste Schlüssel, um aus der Hilflosigkeit herauszukommen und sich nicht alleine zu fühlen: Sei es politische Partizipation, Aktivismus oder ein klimafreundlicher Lebensstil. 

Das hat auch die American Psychology Association herausgearbeitet. Demnach gibt auch es Maßnahme, die direkt entlastend für die Psyche und gleichzeitig positiv für die Umwelt sind. Physische Aktivität wie Radfahren oder Zufußgehen reduziert Stress und wirken sich positiv auf die kognitive Leistung aus. Grüne Orte, etwa Parks nicht nur meistens kühler, der Aufenthalt dort ist ebenfalls stressreduzierend. 

Autorin Pia Gärtner in Mallorca (Foto: Martina Trepczyk)

Irgendwann kommt, nachdem man Verdrängung und Wut überwunden hat, eine gesunde Akzeptanz. Die Situation zu akzeptieren heißt nicht, dass man sich zurücklehnt und der Welt beim Untergehen zuschaut. Akzeptanz heißt in dem Fall, anerkennen und wahrhaben, was ist, und sich dann trotzdem um sich selbst und die Welt kümmern.

Kurzfristig helfen natürlich auch alle Formen der Stressreduktion: Meditation, Körpertherapien, Yoga.

Zuguter Letzt: Dauerhafte Unterdrückung und Verdrängung der Gefühle ist natürlich keine gute Idee, Ablenkung und Lebensfreude sind aber auch in Krisen erlaubt und wichtig!

Mit Humor wird der Alltag leichter. IG Accounts wie Climemechange bieten dafür den richtigen Input.  

Meditation, wenn Gefühle belastend werden

Geh in einen Wald oder Park. Stell dich barfuß auf den Boden und grounde dich. Spür die Energie der Erde unter dir, den Halt, den sie dir gibt, spür den Wind auf deiner Haut, die Temperatur oder den Regen, nimm das Grün um dich herum wahr, atme ein paar Mal tief ein und aus. Berühre die Pflanzen und Blätter. Lausche den Vögeln. Mach dir bewusst, dass die Natur immer da sein wird, egal, was die Zukunft bringt.

Tipps, um mit Climate Anxiety umzugehen im Überblick

  1.  Sich in einem Maß informieren, das nicht überwältigend belastend ist: Mach dir zum Beispiel einen eigenen Social Media Account mit dem du nur Klimaaccounts folgst. So hat man mehr Kontrolle über die Menge an Infos, die man konsumiert.

  2. Den aufkommenden Gefühlen Raum geben: „You have to feel it to heal it“

  3. Gefühle in kreativen Output channeln (Kunst, Journalen)

  4. Aktivwerden - sei es politische Partizipation, Aktivismus oder ein klimafreundlicher Lebensstil

  5. Maßnahmen, die direkt entlastend für die Psyche & gleichzeitig positiv für die Umwelt sind wie Radfahren & Zufußgehen

  6. Stressreduktion: Meditation, Körpertherapien, Yoga, Earthing

  7. Mit Humor wird der Alltag leichter - IG Accounts wie Climemechange bieten dafür den richtigen Input.  

Studie:

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