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Darf man ein moderner Mensch & trotzdem spirituell sein? Jasmin Kessler über ihr spirituelles Coming-Out & ein Rebranding der Wellbeing-Szene

„Ok, sie hat versagt. Sie hat es nicht geschafft. Lief dann wohl doch nicht alles so toll, wie sie es immer dargestellt hat.“

Ja, ich habe mir unzählige Male den Kopf darüber zerbrochen, was denn wohl nur die Leute denken würden, wenn ich mich von meinem Fashionblogger-Leben distanzieren würde.

Doch inzwischen ist es passiert. Anstatt im Flugzeug auf dem Weg zur nächsten Fashionweek, finde ich mich nun zwischen Tarotkarten und Räucherstäbchen wieder. Anstatt mich mit neuen Trends zu beschäftigen, lerne ich mehr über alte Traditionen. Oder befinde mich irgendwo dazwischen.

Darf man ein moderner Mensch & trotzdem spirituell sein? Jasmin Kessler über ihr spirituelles Coming-Out & ein Rebranding der Wellbeing-Szene

Was bedeutet moderne Spiritualität überhaupt?

Moderne Spiritualität ist ein Begriff, mit dem ich mich lange nicht anfreunden konnte.

Ihr wisst, was ich meine: Man stellt sich darunter schnell einen Werbeslogan vor. Dabei geht es allerdings nicht darum, einen Voodoo-Zauber für Smartphones zu optimieren.

Es geht einfach nur darum, dass unsere westliche Kultur-, unsere Gesellschaft, ihre Scheuklappen abnehmen muss. Die Gesundheitsbranche braucht ein Rebranding, das über die Verwendung von hip-klingenden Anglizismen hinausgeht.

Ich möchte an dieser Stelle auch kein großes Fass aufmachen aber wir müssen lernen, über den Tellerrand hinauszuschauen. Glücklicherweise ist das Bewusstsein für Themen wie Mental-Health inzwischen gewachsen. Wenn man aber von Schattenarbeit spricht, runzelt der:die Durchschnittsbürger:in meist immer noch die Stirn und winkt ab. 

Jasmin Kessler: “Glücklicherweise ist das Bewusstsein für Themen wie Mental-Health inzwischen gewachsen. Wenn man aber von Schattenarbeit spricht, runzelt der:die Durchschnittsbürger:in meist immer noch die Stirn und winkt ab.”

Zugegeben: Es ist schwierig, etwas zu begreifen, wenn man es selbst noch nicht erfahren oder erlebt hat. Unser logischer Verstand ist ein wahnsinnig kraftvolles Werkzeug.

Wer von modernen digitalen Techniken und Innovationen fasziniert ist, vergisst gerne mal, dass der Ursprung all dessen, in uns Menschen zu finden ist. Unser Gehirn ist ein Wunderwerk.

Genauer gesagt: Unser kompletter Körper ist ein Wunderwerk. Jede Sekunde arbeiten Milliarden Zellen uns und verrichten unzählige Aufgaben.

Selbst im Schlaf können wir uns auf sie verlassen. Selbst wenn wir uns nicht im Wachbewusstsein befinden, laufen in uns die komplexesten Vorgänge ab - von der Atmung über die Verdauung bis hin zur Verarbeitung alter und neuer Sinneseindrücke.

Wir sind Meisterwerke der Natur und damit Teil, eines noch viel größeren Wunders. Aber das vermittel mal so, dass es die Leute auf einer tiefen Ebene erreicht. Gar nicht so einfach.

Spiritualität ist keine Frage des Glaubens

Wir identifizieren alle so oft mit dem, was wir denken und/oder fühlen. Letztendlich geht es aber darum, diese Identifikationen hinter sich zu lassen. Denn ja, wir sind alle Eins. Klingt weird, ist aber so.

Unser Verstand kann das nicht wirklich begreifen, doch tief in unserem Inneren wissen wir, dass es so ist.

Damit man uns nicht für völlig verrückt und durchgeknallt erklärt, müssen wir auch unsere „unerklärlichen Erfahrungen“ und unsere Realität, irgendwie halbwegs plausibel kommunizieren.

Wer zu viele Zitate, Affirmationen und Quotes auf Instagram teilt, verbreitet Toxic Positivity (also rennt beispielsweise vor negativen Gefühlen davon). Wer gerne teure Designerhandtaschen trägt, ist ein oberflächlicher Mensch (und hat ein schwaches Selbstwertgefühl). Wer wirklich naturverbunden ist, wohnt ganz sicher nicht in einer 1-Zimmer-Wohnung, mitten in der Großstadt.

Und wer auf digitale Technik setzt, hat ganz bestimmt NICHTS von ganzheitlicher Gesundheit-, einer bewussten Lebensweise-, und erst recht nichts von Spiritualität verstanden. Oder etwa doch?

Fest steht: Wir haben alle unsere Macken und unsere Eigenarten.

Wir alle besitzen Eigenschaften, die sich beispielsweise als Charakterzüge, gesellschaftliche Konditionierungen oder genetische Dispositionen beschreiben lassen.

Wir alle spiegeln einander; ob wir es wollen oder nicht. Sounds crazy? Klar, ist es ja auch! Aber gleichzeitig ist genau das ein Teil unserer Natur. So wie wir ein Teil der Natur sind.

Wenn es den Menschen um uns herum gut geht, geht es uns selbst ebenfalls gut. Umgekehrt gilt das genauso.

Streng genommen geht das eine nicht ohne das andere. Überall lesen wir, dass wir zuerst an uns selbst-, und dann erst an Andere denken sollen. Schön und gut. Aber dennoch fühlen wir uns selbst doch (auch) fantastisch, wenn wir etwas scheinbar selbstloses für andere Menschen (oder auch z.B. für Tiere) tun.

Naaa, wer weiß schon worauf ich hinaus möchte? Ok, ich löse das Rätsel auf: Es ist egal. Es ist egal ob wir zuerst an uns als Person-, oder an Andere denken. Es ist völlig egal. Denn unter’m Strich… sind wir Eins. 

Inside we’re all the same. Nur das vergessen wir gerne mal. Wir alle können voneinander wahnsinnig viel lernen; wir müssen lediglich den Mut haben, uns einander zu öffnen.

Spirituelles Coming Out

Jasmin Kessler über ihr spirituelles Coming Out

Für mich war das, was ich hier mal mein „spirituelles Coming-Out“ nenne, ein großer Schritt. Ich habe mich lange für mein Wesen und meine verschiedenen Interessen geschämt.

Mittlerweile begreife ich aber, dass das alles schon seinen Sinn hat. Alles. Vom kleinsten Missverständnis zwischen Freunden bis hin zum großen Trauerfall innerhalb der eigenen Familie.

Ja, selbst man auf einer traumhaft schönen Insel lebt und jeden Tag vom Home-Office aus auf das Meer blicken kann, bleibt der struggle real. Ja, selbst wenn man sich mit Yoga, Heilung oder Achtsamkeit befasst.

Meine Empathiefähigkeit war jahrelang das, was ich als meine größte Schwäche wahrgenommen habe. Sie war für mich ein Fluch. Heute weiß ich sie endlich zu schätzen und sie zu lieben. Sie ist ein Segen und ein Geschenk. Meine Empathiefähigkeit ist inzwischen nicht länger meine größte Schwäche, sondern eine meiner kraftvollsten Stärken. 

Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie schnell unser System zusammenbrechen kann. Ob das Gesundheitssystem überlastet ist, hängt auch davon ab, wie stark die Einzelperson überlastet ist.

Ja, selbst man auf einer traumhaft schönen Insel lebt und jeden Tag vom Home-Office aus auf das Meer blicken kann, bleibt der struggle real. Ja, selbst wenn man sich mit Yoga, Heilung oder Achtsamkeit befasst.

Ja, selbst wenn man stundenlang meditiert, genug Sonnenlicht tankt und sich einfach mal einen Digital-Detox Urlaub gönnt. Umso dankbarer bin ich, dass ich inzwischen auf die Unterstützung von euch allen zählen kann.

Also lasst uns doch gemeinsam herausfinden, wie wir das Wissen von alten Hochkulturen hashtag-tauglich umschreiben können.

Wie wir das, was Oma und Opa schon lange vor uns wussten, so verpacken können, dass es selbst die coolen Kids auf TikTok erreicht. Warum? Because #wereinthistogether

Jasmin hat bereits vor über 10 Jahren angefangen, ihre Gefühle und Gedanken durch Worte und Bilder auszudrücken. Ihr Blog und ihr Instagram Account haben sich inzwischen zu einer Collage ihrer verschiedenen Leidenschaften entwickelt. Auf Mallorca hat sie nun den Sprung ins kalte Wasser gewagt.

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