Agni gut, alles gut: Ayurveda mit Karma Food mit Simone & Adi Raihmann
Simone und ihr Mann Adi Raihmann haben mit Karma Food Orte zum Wohlfühlen geschaffen, bei denen man ganz nebenbei auch indische und ayurvedische Küche geniessen kann. Von einem Standort in Klosterneuburg haben sie mittlerweile auf insgesamt 5 Standorte in und um Wien ausgeweitet.
Wir sprechen mit Adi & Simone über ihren Business-Aufbau, wie ihre Intuition dabei mit reinspielt, über Ayurveda und die unterschiedlichen Doshas, über unser Verdauungsfeuer und wo sie sich in 5 Jahren sehen.
Adi & Simones Morgenroutine
A: lch stehe gerne früh auf, Simone schläft länger. Bei mir ist jeder Morgen ident: gemütlich aufstehen, duschen, entspannt anziehen und mit Podcast in die Arbeit fahren. Sobald ich in der Arbeit bin, Wasser und Kaffee trinken. Kurz überlegen: was steht heute an? Kurz abchecken was heute gemacht werden muss, ein Checkup mit der Crew in der Küche, dann ist es meistens schon 9 und der Tag beginnt. Natürlich ist es trotz Routine jeden Tag ein bisschen anders – aber die Grundstruktur ist gleich.
S: Ich bin keine Frühaufsteherin – ich wäre gerne eine, aber mein Biorhythmus lässt das nicht zu. Ich stehe zwischen 8 und 9 auf: ich habe zum Glück ein permanentes Home Office. Wir haben zwei Katzen und einen Hund, als erstes steht Vollverpflegung für alle am Plan. Dann mache ich mir einen Kaffee, checke die Büros und schaue, was für heute Sache ist. Ein kleines Frühstück darf auch nicht fehlen: am liebsten Cottage-cheese mit Apfelmus, Granola oder wenn es kalt ist Porridge.
Karma Food: wahrgewordene Vision
S: Ich war schon als Kind „Unternehmerin“. Mir war schon früh klar: es muss die Selbständigkeit werden. Zu meinem 18. Geburtstag haben mir meine Eltern ein Essen bei „Kim kocht“ geschenkt – es war ein Mini-Lokal, ich habe gesehen, wie sie servieren, wie die Leute lachen und reden. Ich habe das aufgesogen und dachte: das ist meine Branche. Vor 13 Jahren habe ich Adi im Studium kennengelernt – ich habe ihm sehr schnell von dieser Idee erzählt. Ich wollte ein Mittagslokal machen, schnell, nachhaltig, gesund. Er war sofort auch Feuer und Flamme. Die zwei Jahre Masterstudium haben wir genutzt, um Karma Food komplett ausreifen zu lassen, dann ist es losgegangen.
A: Ich hatte einen versteckten Wunsch: ein kleiner Ort, Leute kommen, man erzählt ihnen Geschichten und sie geben dafür Geld aus. Vielleicht habt ihr Rocky gesehen – in dem Film hat er ein Restaurant, die Leute sitzen, er kommt zu den Tischen und erzählt von seinen früheren Tagen. Das habe ich mir sehr romantisch vorgestellt: Gastgeber sein, mit Leuten quatschen.
Simone und ich haben uns kennengelernt und von Anfang an über nichts anderes geredet. Wir haben die Idee wachsen lassen, Input gegeben. Irgendwann war die Idee so greifbar, dass wir sie einfach umsetzen mussten. Wir haben ausgemacht: wir probieren das zusammen. Falls es nicht funktioniert, geht am Ende wieder jeder seinen Weg, aber wir haben am Ende des Tages immer uns beide.
„Tu was du liebst und du wirst nie wieder arbeiten“ – es ist kitschig, aber wahr. Wir haben Glück, wir leben diesen Spruch. Wenn du jeden Tag motiviert aufstehst und zufrieden mit deinem Job bist, fällt dir gar nicht auf, wie lange und wie viel du arbeitest. Wenn wir mit Karma Food so viele Menschen inspirieren können, positiv beeinflussen können wie sie leben und was sie machen, ist das eine extrem schöne Aufgabe, die man jeden Tag vor sich hat.
Die Vision: ganzheitliche Gesundheit für alle
Wir wollen einen einfachen Zugang für jeden zu einer ganzheitlichen Ernährung schaffen. Das ist unsere Vision, unsere Daseinsberechtigung, unser Credo. Sobald wir dieses Ziel definiert hatten, war der Weg schnell klar. Wenn die ersten Grundsätze da sind, beantworten sich Folgefragen von selbst. Natürlich haben wir eine Planung – aber prinzipiell sind wir sehr intuitiv, lassen uns stark leiten. Unser Motto ist „go with the flow“. Wir planen nicht alles 100% durch, sondern hören stark auf das Bauchgefühl – wir schauen, welche Chancen sich ergeben, welche Leute wir treffen und nehmen das genau so wahr, wie es kommt.
Wir bieten auch Kochkurse, Cooking-Workshops und Yogaevents an. Wir servieren den Leuten nicht nur Essen – es soll eine Umgebung geschaffen werden, in der sie verstehen können: warum ist das gut für mich? Wo kommt es her? Wie arbeite ich mit den Lebensmitteln, die ich habe? Es ist Teil unserer Aufgabe, den Leuten etwas zu erzählen. Wir wollen einen Ort schaffen, an dem man sich Zuhause fühlt – du sollst reinkommen und glücklicher wieder gehen. Wir gehen es sehr ganzheitlich an: nicht nur das Essen soll dich glücklich machen, auch die Crew soll Positivität ausstrahlen und dein allgemeines Wohlbefinden steigern.
Intuition als „Geheimzutat“
A: Das wichtigste beim Wachsen ist, dass wir nie mit Druck arbeiten wollen. Keine Entscheidung soll unter Zugzwang oder unter Druck getroffen werden. So kann man Dinge ganz anders bewerten, ganz anders mit Entscheidungen umgehen. Uns gibt es jetzt schon seit sechseinhalb Jahren – die erste Filiale hatten wir ganze zwei Jahre, bevor es nächste Schritte gab. Wir wollten es von Klosterneuburg nach Wien schaffen. In einem Industriegebiet haben wir eine Autowaschanlage gefunden.
Wir haben das Potenzial erkannt und einen kompletten Umbau gestartet – jetzt sind dort unsere Betriebsküche und ein Shop. Schritt für Schritt haben wir zufällig unsere weiteren Locations gefunden. So wie unseren Standpunkt 1070: wir waren Eis essen, am Weg zum Auto hat Simone in einer Auslage eine Affenfigur gesehen.
S: Ich liebe Affen, und ich liebe diese Figur. Ich habe zu Adi gesagt: die will ich gerne haben. Am nächsten Tag hab ich im Lokal angerufen und gefragt, ob sie zum Verkauf steht. Die meinten: Nein, die Figur steht nicht zum Verkauf – aber alles andere ist reduziert, weil wir gehen. Ich fand das Lokal so schön und habe spaßhalber bei der Hausverwaltung angefragt – und wir haben es bekommen!
So sind alle unsere Lokale komplett intuitiv zustande gekommen. Wir haben nie energisch gesucht, sondern uns leiten lassen – wohin zieht es uns? Wenn wir ein gutes Gefühl für einen Ort haben und sehen, dass er Karma Food repräsentieren könnte, schlagen wir zu. Die Affenfigur hab ich dann am Naschmarktflohmarkt auch noch gefunden.
Ayurveda: der ganzheitliche Ansatz
Ayurvedisch kochen bedeutet mehr, als überall ein bisschen Kurkuma dazu zu hauen. Ayurveda betrachtet den Menschen als ein Individuum, als Teil seiner Umgebung und schließt lokale Produkte nicht aus. Für uns in Europa ist eine regionale, mit den besten Zutaten gut gekochte, typgerechte Nahrung ayurvedisch.
Das Konzept Ayurveda kommt eigentlich aus der indischen Küche – aber die variiert alle fünfzig, sechzig Kilometer und ist sehr komplex. Das wichtigste: ganz viel Liebe. Das ist eine der Grundregeln: wenn du ayurvedisch kochen willst, schau, dass du gut drauf bist.
Ayurveda beschränkt sich nicht nur auf die Küche, sondern weitet sich auch auf persönliche Rituale aus. Uns ist gemeinsames Entspannen sehr wichtig. Eine Zeit lang haben wir gemeinsam meditiert: da schläft man anders, wacht viel erfrischter auf. Ansonsten gehen wir sehr gerne spazieren. Draußen sein ist eines der schönsten Rituale.
Ayurveda-Typen: Vata, Pitta & Kapha
Es gibt ein Rastersystem, in dem man sich selbst in gewissen Grundsätzen einordnen kann.
Der Vata-Typ
Luft-Typus
Schmaler Körperbau, dünne Gelenke, spröde-trockenes Haar
Sprunghaft, hibbelig, essempfindlich, zaghaft
Zierlicher Körperbau
Empfindliche Verdauung
Ernährung: regelmäßige, warme Mahlzeiten. Man braucht etwas Erdendes.
Der Pitta-Typ
Feuer-Typus
„die Lokomotive unter den Typen“: starker Wille, geht mit dem Kopf durch Wände
Ernährung: starkes Verdauungsfeuer, könnte praktisch alles essen
Auf Übersäuerung achten
Idealer Snack: Nüsse & Hülsenfrüchte
Ideales Mittagessen: Eintopf mit Beilage
Der Kapha-Typ
Der geerdete Typus
Gemütlich, stressresistent
Langsamer Stoffwechsel
Brauchen Anregendes in der Ernährung: Ingwer, Gewürze
Alles weglassen, was schleimend ist
Die meisten Leute sind eine Mischung. Wir haben alle drei Komponenten in uns – es hängt davon ab, welcher der Typen am präsentesten ist. Das kann je nach Tages- und Jahreszeit verschieden sein. Es geht viel um Balance.
Wie sieht eine ausgeglichene Ayurveda-Mahlzeit aus?
So, wie es die Oma essen würde: selbstgekocht, frische, regionale Zutaten, gute Gewürze. Mit viel Liebe gekocht, mit Respekt genossen, die richtige Menge zur richtigen Tageszeit. Ein Schnitzel in der Früh wäre keine gute Ayurveda-Mahlzeit – aber ein Haferbrei mit Früchten ist für den Vata-Typen perfekt. Ein Pitta-Typ braucht Gemüse mit Nüssen, für einen Kapha-Typen ist ein Hirse- oder Linsenbrei, vielleicht mit Ingwer und Honig optimal. Dazu könnte man frisch gepressten Orangensaft und Kurkuma, Chili und Pfeffer nehmen.
Agni gut, alles gut
Agni ist das Verdauungsfeuer, das in uns brennt. Es treibt den Stoffwechsel an und ist für die Zellerneuerung wichtig. Ein geschwächtes Agni führt zu diversen Erkrankungen. Mit der passenden Ernährung kann man das innere Feuer stärken und unterstützen. Dafür muss man auf seinen Typ achten. Es gibt auch kleine Agni-Boosts: dazu zählen Basilikumblätter, Pippali-Pfeffer und Honig.
Ein schwaches Verdauungsfeuer hat oft Verdauungsbeschwerden zur Folge. Es ist sehr individuell, aus welchen Faktoren sich dieses Problem zusammensetzt: oft sind es Stress, falsche Ernährung und ein-zwei Dinge in Mengen, die für mein System zu viel sind. Das ist sehr typspezifisch: Übersäuerung, Unregelmäßigkeit, fettige oder schwere Speisen wirken sich bei allen anders aus.
Ein Tipp: Everybody poops! Habt keine Angst vor eurem Stuhl. Er kann euch einiges über eure Verdauung erzählen. Lebt nach diesem Grundsatz: Turn around before you flush down. Die zentrale Message im Ayurveda ist, dass wir ein Teil unserer Umgebung sind – wir können uns nicht isoliert davon betrachten. Falls wir gesundheitliche Probleme haben, sind diese ein Resultat von diesem Einwirken unserer Umgebung auf uns.
(Business-)Partner: Herausforderungen als Unternehmerpärchen
„Communication is key”. In dieser Sache lernt man nie aus. Als wir gestartet haben, waren das wirklich nur wir beide: wir waren 24/7 zusammen, es war eine absolute Beziehungsprobe. Wir haben es gut hinbekommen, weil wir immer schon sehr offen und zeitgleich besprochen haben, was nicht passt.
Mittlerweile haben wir beide unsere separaten Aufgabenbereiche. Aber manchmal muss man Abstand finden und sagen: jetzt geht es nicht um die Arbeit, auch wenn das bei gemeinsamen Visionen und Zielen schwierig ist.
Wenn wir gemeinsam reisen, sind wir als Partner und Geschäftspartner unterwegs – es ist schwierig, das zu trennen. Ich bewundere Leute, die das schaffen – aber für uns ist das nicht möglich. Ich kann Adi den Ehemann von Adi dem Geschäftspartner nicht abspalten. Wir müssen uns bei einer Date-Night bewusst Auszeit von der Arbeit nehmen: es ist wichtig, auch mal einen Stopp zu haben.
Wo seht ihr euch in 5 Jahren?
Wir können uns gerne in 5 Jahren unterhalten – dann erzählen wir, was wir die letzten 5 Jahre gemacht haben. Wir haben unsere Werte, wir haben unsere Vision, wir haben unsere Mission – wir haben eine Richtung, in die wir ungefähr wollen, aber konkrete Pläne haben wir keine.
Wir schauen, welche Projekte kommen, was uns Spaß macht, in welche Richtung sich jeder selbst weiterentwickeln möchte. Simone beginnt mit dem Kaffeerösten und möchte ein Imkerschulung machen, Adi ist frisch ausgebildeter Ayurveda-Coach. Wir lassen uns treiben.
Das Ziel ist nach wie vor, einen einfachen Zugang für Menschen zum gesunden Essen zu schaffen. Die letzten 6 Jahre haben wir die Leute zu uns geholt – jetzt wollen wir zu den Leuten in die Küche kommen! Begonnen haben wir mit unserem Kochbuch, jetzt arbeiten wir aktuell am zweiten. Dann sind Currypasten in Planung, die Zuhause ohne Mühe etwas Warmes, Eigenes zaubern sollen.