Matcha Mornings 🍵

View Original

Hannah Seifert Podcast Transkript

See this content in the original post

I: Hannah, wie würdest du beschreiben was du machst?

B: Ich würde sagen, ich bin Keramikkünstlerin und -lehrerin.

I: Ich habe bei der Hannah letzten Herbst einen Töpferworkshop, kurs, was auch immer, es war über einen längeren Zeitraum, den ganzen Herbst, jeden Mittwoch. Ich war leider nicht sehr begabt. Mir fehlt die Geduld und ich bin keine Perfektionistin. Du hast uns gleich in der ersten Stunde die Frage gestellt: Was ist Ton? Wir haben alle fragend dreingeschaut. Jetzt stell ich dir diese Frage zurück.

Podcast mit Hannah Seifert

B: Ton ist im Grunde ein natürlich vorkommendes Material auf der Erde, im Prinzip ist es verwitterte Erde. Durch die Erdrotation entstehen neue Erdschichten, und die abgestorbene Erde wird zu Ton. Das kann die Menschheit schöpfen, und das mach ich. Ja. Ich kauf den Ton. Und verarbeite ihn.

I: Wie startest du in den Tag?

B: Ich habe zwei unterschiedliche Startweisen: einmal die bewusste und einmal die unbewusste. Bleiben wir bei der Wahrheit Ich fange mal mit der unbewussten an: ich wache auf und schaue eigentlich straight auf Whatsapp, Instagram und andere Social media Plattformen. Dann stehe ich auf und mache mir mal einen starken Kaffee. Mit Hafermilch. Meine bewusste Morning-routine ist aufwachen, mal in den Körper spüren, schauen, was hochkommt und was da ist. Und mal einen Bodyscann machen, von oben bis unten, schauen, was hochkommt. In Phasen, in denen es mir nicht gut geht, wo ich nicht mit mir verbunden bin, wo ich gestresst bin, wo ich mich in einem gewissen Ablenkungsmechanismus befinde. In Phasen, wo es mir nicht so gut geht und ich eher im Verdrängungsmodus bin, was manchmal auch gut ist, auch das braucht man manchmal. In Phasen, wo ich einfach sehr bewusst lebe und jeden Tag in mich hineinspüre und sehr mit mir verbunden bin, auch in der Therapie vorankomme und die Dinge gut laufen. Zurzeit ist es mal so, mal so, eine gute Mischung. Aber ich spüre es, es kommt bald der innere Frühling.

I: Wie bist du zur Keramik gekommen?

B: Meine ganze Schullaufbahn war recht turbulent. Sehr abwechslungsreich. Ich bin jetzt 24, seit 8 Jahren mache ich jetzt Keramik. Die letzte Schule, in der ich war, war eine Waldorfschule, eine Rudolf Steiner Schule in Pötzleinsdorf. Dort habe ich ein Handwerkspraktikum machen müssen, da gab es in jeder Klasse ein Praktikum, Sozial oder Industrie oder Handwerk, das hatte ich. Mit fünfzehn, da war ich bei einer Keramikerin im vierzehnten Bezirk, wo ich auch als Kind schon einmal einen Töpferkurs gemacht habe. Das war ganz passend, da habe ich angefragt, bin hin. Wir haben uns sehr gut verstanden, und alles war wahnsinnig aufregend für mich, das Material so zu sehen, und jemanden zu sehen, der das beruflich macht. Fand ich sehr spannend. Da durfte ich drei Wochen hineinschnuppern und habe es kennengelernt wie sie das gemacht hat. Es hat sehr gut gepasst. Dann hatte ich immer wieder Phasen, wo ich mit der Schule aufhören und einen Alternativweg einschlagen wollte. Meine Mama hat mich meine ganze Schulzeit liebevoll begleitet und mit mir ganz ehrlich und offen darüber geredet und mich auch gesehen, nicht gezwungen. Sie hat genau gesehen, was los ist, sehr schön. Sie hatte damals sogar eine Idee, dass ich damals einen Alternativweg einschlagen könnte. Das war für mich extrem schön. Ich habe angefragt, ob ich bei der Keramikerin anfangen könnte zu arbeiten. Damals war die Idee: entweder ganz oder garnicht, und dann habe ich mich für ganz entschieden. Dann war ich ein Jahr Vollzeit dort. Ich habe damals gespürt: es ist sehr mutig, was ich mach. Das betrifft die ganze Zukunft. Ich habe das damals entschieden und für mich hat sich meine Lebensqualität von heute auf Morgen komplett verändert. Von diesem: im Schubladensystem, wie das ganze Schulsystem ist. Das ist für viele kein schöner Ort, beziehungsweise in einer Form aufgebaut, die komplett veraltet und nicht mehr zeitgemäß ist. Ich habe mich viel freier gefühlt und habe das Arbeitsleben kennengelernt. Das war damals für mich: Töpfern, mit Ton arbeiten, den ganzen Tag. Die Fächer, die ich in der Schule so sehr geliebt habe, und die eigentlich immer viel zu wenig waren, Werken, Zeichnen, da war ich die erste, die dort war und die letzte, die gegangen ist, und ich habe komplett vertieft gearbeitet. Um mich herum sind die Stühle geflogen, da waren Kinder, die das überhaupt nicht interessiert hat und die wieder nicht in dieses Schema reingepasst haben, weil es künstlerischere und andere gibt. Ich bin mit Kopfhörern da gesessen und war ganz vertieft. Das war dann plötzlich, von heute auf morgen, mein Leben. Ich habe mir gedacht: wow. Das war die eine Seite, aus der ich sehr positiv geschöpft habe, und es war Wahnsinn. Aber auf der anderen Seite gab es schon das Thema: Sommerferien, meine Freunde machen alle was anderes, sind in der Schule, maturieren, blablabla. Damit wurde ich ständig konfrontiert, weil mein Umfeld so gelebt hat. Ich habe mich nicht ausgeschlossen gefühlt, aber es war einfach was anders bei mir. Ich habe die Entscheidung nie bereut, nie, niemals. Wenn es die Keramik nicht gewesen wäre, wäre es eine andere handwerkliche Lehre gewesen. Ich habe mich auch für Sylistin und Visagistin interessiert. So bin ich in die Keramik gekommen: es hat mit einem Praktikum begonnen. Dann bin ich langsam, Jahr für Jahr, aufgestiegen und wurde für immer mehr eingesetzt. Jetzt bin ich Keramiklehrerin und gebe es weiter, was mich sehr, sehr glücklich macht.

I: Was gibt dir das?

Keramikerin Hannah Seifert

B: Die Schulzeit war nicht mein – ich würde nicht sagen, es war nicht meine Lieblingszeit, weil es war mein halbes Leben, oder mehr. Der zwischenmenschliche Kontakt, die Energien, die zwischen mir und meinen Kursteilnehmern herrschen, durch die Kurse bin ich irrsinnig feinfühlig geworden und habe auch eine gewisse Menschenkenntnis gewonnen. Das ist so mit der Zeit gekommen. Abgrenzung ist sehr wichtig, aber bis jetzt habe ich es immer geschafft, mich in einer Form abzugrenzen, wo von meiner Seite aus Respekt bleibt. Und vor Allem Einfühlungsvermögen.

I: Wie grenzt du dich ab?

B: Indem ich klar sage, was ok ist und was nicht. Wenn mir die Kursteilnehmer zuhören sollen, sollen sie mir zuhören – und das kann ich dann auch so kommunizieren, dass sie das dann tun. Meine Stimme ist auch nicht superbelastbar, und ich habe keine Lust, mit Halsweh rauszugehen. Aber im Prinzip ist es ein Fokus, dass der Fokus da ist. Das ist wichtig, sonst geht so viel Energie drauf. Es gab Phasen, wo ich das nicht konnte, wo es ganz schwierig für mich war, mich abzugrenzen. Dann gibt es, ja, Menschen im Kurs, die einen mehr herausfordern, und es gibt Menschen, bei denen man gleich spürt: ok, da ist was da, wo man an einem Strang zieht, Geduld und Interesse sind da. Ich glaube, von mir sagen zu können, dass ich eine sehr geduldige Lehrerin bin. Ich glaube, der Schlüssel zu dieser Konfrontation sind Geduld und Einfühlungsvermögen, und dann auch – und es ist noch nie passiert, dass ich für mich entschieden habe, dass ich nicht möchte, dass eine bestimmte Person in meinen Kurs kommt – ja. Ich glaube, da spielt ganz viel zusammen, in Form von dem Gesetz der Anziehung, gleiches zieht gleiches an. Wenn ich geduldig, einfühlend, offen, authentisch bin, sind da keine Ego-geschichten, und jeder kann so sein wieder ist. Dann kann es so sein, dass jeder willkommen ist in meinem Kurs. Das will ich den Menschen vermitteln, und ich glaube, das spüren sie auch. Ich glaube, dass dann auch Menschen, die mir ähnlich sind, automatisch zu mir finden. Oder die richtigen, die die einfach zu mir passen. Es finden sich dann Gruppendynamiken zusammen, die teils sehr zusammenschweißen. Ich habe aber auch schon welche erlebt, wo es einfach nicht so harmonisch war. Da kristallisiert sich manchmal eine Gruppe heraus, die wiederkommt, da kann was entstehen. Das ist dann so schön.

I: Was würdest du sagen, hat dich das Töpfern gelehrt? Was lehrt es dich immer wieder aufs neue?

B: Ich würde sagen: Geduld. Im Sinne von: es ist ein sehr lebendiges Material, es spielen alle vier Elemente mit. Erde als Ton, Wasser zum bearbeiten, Feuer zum brennen und Luft zum trocknen. Das sind die Elemente, total verbunden, irrsinnig schön. Man gibt so viel Verantwortung ab, an den Ofen und an die Luft. Von Anfang an: du hast noch nie einen Ton in der Hand gehalten, bekommst das erste Mal ein Stück Ton in die Hand gelegt. Dann fängst du an zu kneten und zu formen und es reißt an allen Enden, du weißt nicht, was du tust, und es ist eigentlich sehr komplex, obwohl es so simpel wirkt. Es sind so viele Schritte. Auf der einen Seite: das Material an sich kennenlernen und bändigen können. Es ist eine Mischung aus: es bändigen und dem Ton den Ton angeben. Aber trotzdem irrsinnig liebevoll mit dem Ton umgehen. Jeder Handgriff muss sehr bewusst passieren, sonst ist ein kleiner Handgriff, und das ganze schaut ganz anders aus und man muss wieder von neuem beginnen. Dass man das mal lernt, Geduld mitbringt, ist sehr wichtig. Ich sehe es jeden Tag aufs neue bei meinen Kursteilnehmern. Ich unterrichte auch viele Anfänger, und es ist immer am Anfang dieser Prozess, dieses reinkommen und mal schauen. Und ich bin oft so: Leute, druckt es durch, bald habt ihr ein Erfolgserlebnis. Am Anfang ist es zach, speziell das Töpfern an der Scheibe ist sehr komplex und bedarf extrem viel Konzentration und Hingabe. Diese Kombination aus dem Ton sagen, was man möchte, und trotzdem irrsinnig liebevoll. Wie im Leben, sich überraschen lassen, go with the flow.

I: Ist Töpfern für dich eine Meditation?

B: Es ist eine Ressource, würde ich sagen. Für mich. Eine sehr, sehr große Ressource. Es ist für mich eine Art Rückzugsort, den ich betrete, wenn es mir gut geht und wenn es mir schlecht geht. Ich habe einmal eine Schaffenskrise gehabt, das war vor zwei Jahren zu Weihnachten. Da ging irgendwie garnichts. Da habe ich geglaubt, dass ich gerade meine größte Ressource verliere. Das war schlimm, das war gar nicht schön. Das hat sich aber relativ schnell gelegt dann. Aber da hatte ich kurz die Krise. Es ist schon eine Art Meditation für mich. Wenn ich wirklich konzentriert an einer Sache arbeite, und nicht den hundertachzigtausendsten Becher, sondern ich mich wirklich konzentrieren muss, es doch eine Herausforderung für mich ist, das jetzt zu Schaffen, was auch immer es ist, dann ist es schon eine Art Meditation, weil ich einfach so in der Präsenz bin, und mich so konzentrieren muss, dass das jetzt klappt, dass das schön wird. Ich habe gottseidank nie diesen Leistungsdruck, diesen Perfektionismus in mir, dafür bin ich sehr dankbar.

I: Das Konzept von wabi sabi ist in deinen Sachen schon bisschen vertreten.

B: Das stimmt. Ich habe sehr gern sehr erdige Farben. Die Perfektion in der Imperfektion, irgendwo. Dass man auch sieht, dass es handgemacht ist, was mir sehr wichtig ist. Aber eben auch für mich stimmig sein muss. Ich töpfere sehr viele unterschiedliche Sachen.

Töpfern mit Hannah Seifert

Im Grunde ist es für mich eine große Ressourcenquelle, die gleichzeitig meine Miete zahlt, mich runterbringt, wenn es mir nicht gut geht. Wenn es mir nicht gut geht und ich müsste eigentlich arbeiten, ist es meistens ein ich raffe mich auf, was aber bei jeder Arbeit so ist. Da muss ich mich dann schon manchmal am Riemen packen und sagen: jetzt tu was. Aber dann geht es ganz, ganz schnell, dass ich in einen Flow komme und das garnicht mehr mitbekomme. Da weiß ich, wie ich mit mir umgehen muss, dass ich wieder Freude am arbeiten hab. Wenn ich davor keinen Bock habe, mich gatschig zu machen. Es ist schon  schön, eine sehr schöne Arbeit, mit dem Gatsch und dem Schlicker und dem Wasser und alles ist immer total schmutzig. Aber manchmal, ganz selten, nervt es mich auch und ich hätte gerne einen trockenen Job, wo ich nur einen Laptop habe, den ich aufklappen muss, und ich weiß, ich brauche nicht kiloweise Handcreme, um meine Hände am Leben zu erhalten. Manchmal hab ich das, ja. Wenn im Winter die Nägel einreißen. Meine Hände leiden sehr darunter. Aber ja. Im großen und ganzen bin ich sehr, sehr erfüllt in meinem Job. Und ich bin so, so, so dankbar, dass ich diesen Weg gehen darf in dieser Welt und in diesem Leben. Es macht mich sehr glücklich, dass es gerade diesen Töpfertrend gibt. Es hat mir nie wirklich Angst gemacht – obwohl, doch. Eine Zeit lang schon. Alle töpfern – was ist da los? Aber am Ende des Tages denke ich mir: es ist genug für alle da. Die Kundschaft, die zu mir kommt, kommt zu mir, weil sie meine Sachen mag. Wenn jetzt ein Kunde, der mal bei mir was gekauft hat, dann zu einem anderen Keramikkünstler geht, soll es so sein, dann ist es so. Solang ich meine Miete zahlen kann, ein Dach über dem Kopf habe und genug Essen und Liebe in meinem Leben habe, reicht mir das, absolut. Und Erfolg in meiner Arbeit ist dann ein schönes Plus, alles was drüber hinausgeht. Das nimmt mir diesen Stress, wenn ich an jeder Ecke Keramik sehe, die Kurse restlos ausgebucht sind und eine Warteliste da ist. Wenn man sich einen Töpferkurs anschaut: einer von zehn Leuten macht weiter, vertieft es, macht sich eine Instagramseite und kreiert ein Logo und beginnt zu verkaufen. Ich denk mir: es ist ok, es ist auch eine coole Sache. Es ist genug für alle da.

Ich spüre, dass die Leute sich in meinem Kurs wohlfühlen. Und ich finde es auch eine wahnsinnig intime Sache. Das darf man nicht vergessen. Für mich ist das easy cheesy, weil ich auf der Scheibe schon sehr fit bin und einfach meinen Job beherrsche. Und für jemanden, der anfängt, wenn ich mich jetzt vor eine Leiwand setze mit zehn Leuten in einem Raum – also, ich würde mich nicht sehr wohl fühlen. Man fühlt sich schnell sehr verletzlich. Auf einmal bist du der komplette Anfänger. Auch wenn man schon fortgeschritten ist und immer besser wird, ist es trotzdem ein sich in seiner Kreativität und seinem Schaffensprozess so zu öffnen. Die Leute schauen, man schaut natürlich, was der andere macht, und dann gibt es auch noch Menschen, die bewerten oder ungefragt kommentieren. Mache ich auch nicht mehr. Wenn ich eine konkrete Kritik äußere zu einem Stück, frage ich vorher: darf ich was dazu sagen? Es ist so wichtig, dass man den Leuten diesen Raum gibt, sie zu hundert Prozent sie selbst sein zu lassen. Nicht zu urteilen. Ob man jetzt den zehnten Aschenbecher oder riesen Skulpturen macht, das ist jedem zu hundert Prozent selbst überlassen. Es ist ein wertfreier Rahmen, in dem ich arbeite. Das ist mir wahnsinnig wichtig: dass das jeder spürt, und dass ich auch lobe. Die Leute fühlen sich manchmal ein bisschen verarscht, wenn ich sage: super, cool, mach weiter so. Sie schauen mich an und sagen: come on, echt jetzt. Ich spüre, dass die Leute es lieben. Und das motiviert. Und ich möchte motivieren, ich will, dass die Leute weitermachen. Ich kann mittlerweile schon abschätzen, was als nächstes kommt, welche Schritte, was die Leute als nächstes machen, in welcher Form, welcher Geschwindigkeit sie besser werden. Wenn ich dann schon abschätze: wenn ich sehe, jemand sitzt an der Scheibe und hat schon einen richtigen Widerstand, eine Aggression, und es ist wirklich ganz schwierig, dann versuche ich irgendwie liebevoll dorthin zulenken: es gibt auch noch andere Techniken, Plattentechnik, Daumenschaltechnik, blablabla. Für viele Menschen ist das Töfperhandwerk oder die Keramik an sich ist gleich Töpferscheibe. Das ist natürlich etwas sehr faszinierendes, und auch etwas, was die Leute so hinzieht zur Keramik: Töpferscheibe, wow, total magisch, da ist ein Tonklumpen, der wird plötzlich zu einem wunderschönen Gefäß. Das kann ich nachvollziehen, aber es ist wahnsinnig schwierig. Und es gibt so viele andere Techniken. Dass sich niemand schlecht fühlen muss, wenn er sich eher für andere Techniken entscheiden muss. Dass er mal dies kennenlernt, das kennenlernt, dass das nicht wertend gemeint ist. Das ist einfach Typsache. Ich bin ein total grafischer Typ. Jemand anderer ist ein visueller Typ. Es ist ganz unterschiedlich.

I: Du bist ein sehr bewusster Mensch. Was tust du außer Töpfern für deine mentale und spirituelle gesundheit?

B: Ich gehe in Therapie, eine Traumatherapie. Davor hatte ich eine normale Gesprächstherapie. Die meisten kennen nur das, leider. Ich habe vor drei Jahren mit Gesprächstherapie begonnen. War dort, habe lange immer nur geredet, geredet, geredet. Man redet das durch, die ganze Zeit, was im Kopf ist, was Fakten sind, was zwischenmenschlich passieren, man redet sehr viel über die Vergangenheit – aber man hält sich immer nur im Kopf auf, und das macht keinen Sinn.

Traumatherapie: es gibt verschiedene Formen. Ich mache EMDR und somatic experience. Da arbeitest du mit der linken und rechten Gehirnhälfte, es ist ein Prozess, in dem du sehr gut verarbeiten kannst. Wie genau, kann ich nicht erklären. Aber im Grunde ist es eine körperliche Geschichte. Es geht viel um Gefühle. In der Therapieform, die ich mache, ist es sehr körperbezogen, sehr im Körpergefühl, und Fokus auf: wie fühlt es sich an? Es geht um fest verfahrene, tief sitzende Emotionen, und Gedankengänge und Glaubenssätze, die man über das ganze Leben und speziell in der Kindheit. Gewisse Glaubenssätze, die mein Leben komplett beeinflussen – ich bin gehemmt gegenüber Dingen, die ich eigentlich in meinem Leben erreichen möchte. Gewisse Glaubenssätze über mich, wie zum Beispiel der Führerschein. Sag ich offen und ehrlich: fällt mir wahnsinnig schwer, mich anzumelden für den Führerschein. Ich habe ihn noch nicht, und ich möchte ihn machen. Aber es wäre eine Prüfungssituation, und ich weiß einfach, dass die ganze Schulzeit für mich ein sehr schweres Thema war. Das Trauma, das da ist, ist schon davor passiert, und das hat es auch nicht besser gemacht, die Schule war auch nicht sehr hilfreich dafür. Wenn ich getriggert bin, kommt man in einen körperlichen Zustand, wo man keinen klaren Kopf mehr hat. Ich weiß dann nicht mehr, wo oben und unten ist, und glaube zu hundert Prozent meinen Gedanken. Das hemmt mich vor gewissen Situationen und Sachen, die ich schaffen will.

I: Gab es einen konkreten Grund, warum du damals mit der Traumatherapie begonnen hast?

B: Ja, ich habe körperliche Probleme bekommen. Psychosomatisch. Dass der Körper schreit und sagt: hallo, da ist was, was einfach angeschaut und beleuchtet werden muss. Dadurch, dass ich das nicht mehr haben und ein gesunder Mensch sein wollte, habe ich mich dafür entschieden. Da hat meine Schwester schon Vorarbeit geleistet und hat das für sich entdeckt. Ich habe lang gebraucht, um mir einzugestehen, dass Gesprächstherapie für mich nicht passend ist, weil ich brauche einfach was anderes. Irgendwann war ich bereit und habe mir gesagt: jetzt bin ich bereit und jetzt macht es Sinn.

I: Wie kann man sich eine Stunde da vorstellen?

B: Ich setze mich hin und es kommt das hoch, was hochkommen soll. Das ist ganz wichtig, dass man nicht denken muss, dass man da jetzt irgendwas machen muss. Du musst nicht leisten. Du musst danach auch nichts machen. Du gehst raus aus der Stunde, die Therapeutin oder der Therapeut leitet das ganze und therapiert dich. Du musst dich nicht selbst therapieren. Er ist dafür da, dass er dich da hineinführt, dich genau die Dinge fragt, die wichtig sind. Wenn das ein guter Therapeut ist, was sehr schwer ist, weil es gibt wahnsinnig viele Therapeuten, die überhaupt nicht mit sich selbst im Reinen sind, beziehungsweise ihre Issues und Traumata nicht aufgearbeitet haben. Ich war bei einer Therapeutin, die ist mit verknoteten Beinen dagesessen, war überhaupt nicht geerdet. Ich habe ihr von meinem Leben und von gewissen Dingen, die passiert sind erzählt und sie ist wirklich davongeflogen, so ungeerdet war sie. Sie war garnicht mit sich gefunden. Du gehst wohin, zahlst dafür, und diese Person bringt dich in eine Disbalance. Diese Person soll dich erden, sie soll dafür sorgen, dass du in Sicherheit bist, und dass du dich in Sicherheit fühlst. Das ist die Essenz einer Therapie. Wenn das nicht ist, hat sie ihren Job nicht ganz verstanden.

I: Wie hast du erkannt, dass deine Therapeutin die richtige für dich ist?

B: Sie weiß ganz genau, wann es mir zu viel wird. Wann es zu viel ist. Das allerwichtigste, was meine Therapeutin empfindet, oder was die Wahrheit ist, ist, Ressourcen zu stärken. Für jeden Menschen, dass er seine Ressourcen wahrnimmt, dass Ressourcen entstehen, und dass das die größten Energiequellen sind im Leben. Ob man dann noch direkte Traumaarbeit machen muss, ist bei jedem Menschen komplett anders. Aber das um und auf sind Ressourcen. Und Quellen im Leben, die einem Energie geben, wo man sich in Sicherheit fühlt, seine Körpergrenzen wahrnimmt. Und draufkommt, dass man selbst der einzige Mensch in seinem Leben ist, der über sich entscheiden darf, zu hundert Prozent. Das ist wahnsinnig wichtig, dass ein Therapeut das selbst erkannt hast. Weil wenn du es selbst nicht lebst, kannst du es auch niemandem weitergeben, beibringen.

Eine Stunde: man erzählt das, was grad Thema ist und an der Oberfläche sehr präsent ist. Und dann wird da drauf eingegangen und wird beleuchtet, was die Angst ist und was das Gefühl ist. Wie es sich anfühlt und wie man über sich denkt. Was man über sich denkt. Da kommen automatisch Dinge hoch. Die Körperarbeit ist die Arbeit, die sie macht: es ist eine mechanische… sie geht mit den Händen links-rechts-links-rechts. Du schaust mit den Augen immer ihre Fingerspitzen an und sie geht dreißig mal links und rechts, und du schaust mit. So aktiviert die linke und rechte Gehirnhäfte sich automatisch. Dann entsteht dieser Verarbeitungsprozess. Wie genau, weiß ich nicht. Der Prozess ist der, dass immer dazwischen, es passiert, drei bis fünfmal, unterschiedlich, je nachdem, was bearbeitet wird, und wie tief das ganze ist, aber es wird immer dazwischen bewertet: eine Skala von  eins bis zehn, wie fühlt sich das gerade an und wie belastend ist diese Situation jetzt gerade? Es hilft mir so.

I: Kaum was ist uns bewusst. So viel passiert unterbewusst, körpergesteuert. Deswegen ist Körperarbeit auch wahnsinnig wichtig. Es ist jetzt August zwanzigzwanzig – wie hast du die Quarantäne erlebt?

B: Am Anfang hat mir das ganze sehr Angst gemacht und zugesetzt. Ich war, wie jeder, in einer Ungewissheit, wie es mit der Arbeit weitergeht, ob eine Quarantäne überhaupt kommen wird. Wie strikt das ganze ist. Wie das ganze abläuft. Man hat sich gedacht: was passiert hier gerade. Aber das hat sich relativ schnell gelegt, als ich mir dann zuhause ein kleines Töpferstudio eingerichtet hab und jeden Tag im Pyjama und bei Kaffee getöpfert hab. Dann habe ich dazwischen einen Instagramsale mit meinen Sachen gemacht, da hab ich dann eine Form der kontaktlosen Übergabe gemacht. Es ist irrsinnig gut gegangen. Alle wollten supporten und vierundzwanzig sieben auf Instagram abhängen. Sie konnten dann eh irgendwie nicht shoppen, nennen wir das Kind beim Namen. Und dann kleine Unternehmen supporten wollten. Ich bin so dankbar gewesen: die Nachfrage war wirklich groß. Dann hat mir dazwischen eine Töpferkollegin und Freundin die Möglichkeit geboten, bei ihr zu brennen, wo ich bis heute sehr sehr dankbar bin. Dann sind so die Aufträge eingetrudelt, da bin ich bis heute noch am abarbeiten und sehr dankbar. Die Quarantäne, wenn man sich das im Nachhinein anschaut: es gab einen Tiefgang, wo es mir nicht so gut ging, das unterrichten hat mir sehr gefehlt. Ich hatte Angst: wie wird das dann sein, ich bin schon in Kontakt mit Menschen, also der Sicherheitsabstand ist nicht so leicht einzuhalten. Das ist bissi schwierig. Wenn ich so ein Tief habe, versuche ich, mich wieder mit mir zu verbinden, mich zu erden und Vertrauen zu haben. Weiter in Therapie zu gehen, und einfach darauf vertrauen, dass ich in Sicherheit bin und das Leben schon für einen sorgt. Ich erde mich in Form von einer Art meditation. Ich gehe sehr gerne dann. Aber nicht im Sinne vom spazieren gehen. Wenn ich während der Arbeit mal nicht geerdet bin, reicht es auch, rauf in die Küche zu gehen, eine Runde zu gehen, ich spüre mich, meine Körpergrenzen, den Boden. Dann strecke ich mich kurz, bewege meine Gliedmaßen und merke: ich bin da. Es passiert nichts. Ich bin in Sicherheit. Alles ist dort, wo es sein soll. Das ist für mich erden.

I: Physische Objekte können wahnsinnig viel Kraft und Bedeutung haben. Was würdest du denn hoffen, was deine Objekte ausstrahlen und wofür deine Stücke stehen?

B: Meine Stücke stehen vielleicht für Zuhause, sich zuhause fühlen. Das ist mir sehr wichtig. Für Sicherheit und Individualität. Dass meine Stücke so arg unterschiedlich sind und ich mir denke: jedes meiner Stücke hat seine Existenzberechtigung, keines ist gleich, so wie alle Menschen auf der Welt. Das ist ganz, ganz wichtig, sich bewusst zu machen. Sicherheit, Authentizität. Das finde ich auch wichtig. Meine Stücke stehen für sich zuhause fühlen, Harmonie, Sicherheit. Ich bekomme auch regelmäßig Feedback, dass die Menschen, die meine Sachen kaufen, zuhause aus meinen Tassen trinken und mir sagen: ich trink jeden Tag aus deiner Tasse, und es macht mich sehr, sehr glücklich, und es ist meine Lieblingstasse. Das habe ich oft gehört und es erfüllt mich mit so viel Dankbarkeit und Liebe, das ist mir das größte Überhaupt, das ist mir ganz, ganz wichtig, dass ich da viel spüre und mir das sehr nahegeht.

See this gallery in the original post